Kommentar: Richtungsentscheidung Bundestagswahl

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Roland Angst,  ULA-Präsident

Das letzte Jahr war geprägt von Umbrüchen, Kriegen und Wahlen. Insbesondere der amerikanischen Präsidentschaftswahl ist mit dem Sieg Donald Trumps eine überaus große Bedeutung nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt zugekommen.

Sie wirft auch auf Deutschland einen großen Schatten. Und sie hat das Zeug, der Bevölkerung deutlicher als bisher klarzumachen, dass auch die kommende Bundestagswahl eine Richtungsentscheidung sein wird. Die Wählerinnen und Wähler werden sich zwischen einem „Weiter so“ und einem politischen Neuanfang entscheiden müssen.

Bei der Union ist von einem angestrebten „Politikwechsel“ die Rede. Und in der Tat lassen die außenpolitischen Herausforderungen in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik angesichts des Krieges in der Ukraine und der vom neuen amerikanischen Präsidenten vorgebrachten Forderungen nach größerem Engagement der NATO-Mitgliedsstaaten auf einen Paradigmenwechsel schließen. Zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs wird Deutschland wesentlich stärker als bisher für seine eigene Sicherheit sorgen müssen. Viele Äußerungen von Friedrich Merz und Christian Lindner lassen vermuten, dass diese Botschaft angekommen ist. Das schließt eine engere Zusammenarbeit mit europäischen Partnern, vor allem mit Frankreich und Polen, ein. Die sträflich vernachlässigte Zusammenarbeit mit unseren wichtigsten Nachbarstaaten gerade auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik wird wahrscheinlich als eines der schwerwiegendsten Versäumnisse der letzten Bundesregierung erkannt werden.

Trotz der großen Herausforderungen in der Außenpolitik können die deutschen Parteien immer noch nicht vom Primat der Innenpolitik Abstand nehmen. An der historischen Last, auf nahezu allen wichtigen Gebieten der Zukunftsthemen in den letzten 20 Jahren Urlaub gemacht zu haben, tragen die demokratischen Parteien schwer. Wichtig ist dann umso mehr, dass der Bürger auch hier erkennt, dass es im Februar gerade in Wirtschafts-, Sozial- und Innenpolitik um eine Richtungsentscheidung geht.

Die meisten Wirtschaftsforschungsinstitute sind für 2025 wenig optimistisch. Sollte es nicht bald gelingen, mit wirtschaftspolitischen Reformen die Standortprobleme in den Griff zu bekommen, ist der weitere wirtschaftliche Abstieg Deutschlands unvermeidlich. Senkung der Steuerlasten für Unternehmen, Reform des Bürgergelds, echte Entbürokratisierung klingen vernünftig, das Stoppen der irregulären Migration auch. Kurz vor den Bundestagswahlen ist die Frage der Wahlentscheidung gar nicht so schwer: Der Wähler muss nicht mehr auf rechts- oder linksextreme Parteien ausweichen, um seinen Präferenzen Nachdruck zu verleihen. Denn innerhalb der Mitte des Parteienspektrums stehen bei Klimaschutz, Energie- und Gesellschaftspolitik echte Alternativen zur Wahl. Die Union ist wieder als konservativ erkennbar und die linken Parteien SPD und Grüne sind in ihren Vorstellungen davon deutlicher abgrenzbar. Allerdings wäre die Option, dass die FDP als ordoliberale Stimme möglicherweise nicht mehr im Bundestag vertreten sein könnte, nicht nur aus Sicht der Führungskräfte ein gravierender Verlust.