VAA: Personalpolitik für die neue Arbeitswelt
Um Stellung zu beziehen, hat der Verband Positionen zu zentralen, für VAA-Mitglieder relevanten Zukunftsthemen erarbeitet: von der Arbeitszeit und den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt über das Entgelt bis hin zum lebensphasenorientierten Arbeiten. Im Interview mit dem VAA Newsletter erläutert VAA-Hauptgeschäftsführer Gerhard Kronisch, warum eine lebensphasenorientierte Personalpolitik das Zukunftsmodell für die Unternehmen sein muss.
VAA Newsletter: Im vergangenen Jahr hat der VAA auch zum lebensphasenorientierten Arbeiten eine Position erarbeitet. Was verbirgt sich hinter diesem eher sperrigen Begriff?
Kronisch: Dahinter steckt die Idee, dass sich die Personalpolitik in den Unternehmen auf Entwicklungen einstellt, die unsere Gesellschaft und insbesondere unsere Arbeitswelt verändern. Dazu gehören die demografische Entwicklung und veränderte Erwerbsmuster, aber auch die Digitalisierung und die damit verbundene Flexibilisierung der Arbeit.
VAA Newsletter: Welche Rolle spielt die Demografie dabei?
Kronisch: Die Demografie verändert durch verschiedene Mechanismen die Basis, auf der die heutige und vor allem die künftige Arbeitswelt stehen: Die Menschen werden immer älter und durch die Geburtenrate in Deutschland von 1,5 Kindern pro Frau wachsen weniger Menschen nach, was auch durch den Zuzug von Menschen durch Migrationsbewegungen derzeit nicht ausgeglichen wird. Also gibt es anteilig mehr ältere und weniger junge Menschen. In der Folge muss länger gearbeitet werden, damit die sozialen Sicherungssysteme stabil bleiben und kein Mangel an Arbeitskräften entsteht. Also müssen die Arbeitsbedingungen so angepasst werden, dass ältere Menschen auch so arbeiten können, wie es ihren persönlichen Präferenzen und ihrer Leistungsfähigkeit entspricht. Das ist ein wichtiger Aspekt des lebensphasenorientierten Arbeitens: Älteren Arbeitnehmern mehr Flexibilität zu geben, ihren Übergang in den Ruhestand zu gestalten.
VAA Newsletter: Welche Maßnahmen wären dafür sinnvoll?
Kronisch: Dazu kann die Stärkung von Instrumenten wie Langzeitkonten gehören, in die Zeit- und Entgeltbestandteile zur Finanzierung von Weiterbildungszeiten, individuellen Freistellungsphasen oder eben eines vorzeitigen Ruhestandes einfließen können. Im Tarifbereich wird das durch den Tarifvertrag Demografie bereits gefördert und diese Förderung sollte auch auf die außertariflichen Angestellten ausgedehnt werden. Das gilt auch für die Forderung der IG BCE in der aktuellen Tarifrunde nach einem sogenannten Zukunftskonto. Dabei kann jeder Beschäftigte über einen jährlich gezahlten Betrag individuell verfügen, zum Beispiel zur Umwandlung in zusätzliche freie Tage oder zum Ansparen auf einem Langzeitkonto. Die Flexibilität dieses Ansatzes ist sehr gut, denn natürlich wollen nicht alle Arbeitnehmer vorzeitig in den Ruhestand gehen.
VAA Newsletter: Mit dem Übergang in den Ruhestand haben wir jetzt über das Ende der klassischen Erwerbsbiografie gesprochen. Gehen wir einen Schritt zurück und schauen in die Mitte des Arbeitslebens. Woran sollte sich gute Personalpolitik für diese Lebensphase orientieren?
Kronisch: In dieser Phase haben viele Menschen die eigene Familienplanung abgeschlossen, müssen sich aber immer öfter um die Pflege ihrer Eltern oder anderer Angehöriger kümmern. Denn die vorhin schon angesprochene Zunahme der Zahl alter und sehr alter Menschen führt auch dazu, dass die Phasen der Unterstützungs- und Pflegebedürftigkeit länger werden. Inzwischen sind in den meisten Familien Männer und Frauen berufstätig, also brauchen Arbeitnehmer auch hier die Flexibilität, ihre Erwerbstätigkeit mit diesen Anforderungen zu vereinbaren. Die Digitalisierung bietet durch die Entkopplung von Arbeits- und Produktionsort dafür neue Möglichkeiten, die aber durch gut ausgestaltete betrieblichen Rahmenbedingungen auch richtig genutzt werden müssen.
VAA Newsletter: Welche Unterstützung kann Personalpolitik für die häufig als „Rushhour des Lebens“ titulierte Lebensphase mit Berufseinstieg, Familiengründung und Karriereplanung leisten?
Kronisch: Natürlich ist es bis zu einem gewissen Grad unvermeidlich, dass gerade bei Akademikern Berufseinstieg, Familiengründung und die ersten Schritte auf der Karriereleiter zeitlich häufig im dritten und in der ersten Hälfte des vierten Lebensjahrzehnts zusammenfallen. Was sich aber durchaus vermeiden ließe, ist der Umstand, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit und familienbedingter Teilzeittätigkeit teilweise immer noch als Karrierekiller für Nachwuchsführungskräfte gilt. Es kann nicht sein, dass überall von Diversity Management und Employer Branding geredet wird und die tatsächliche Personalpolitik in manchen Unternehmen immer noch nach den Regeln des letzten Jahrhunderts abläuft.
Die VAA-Position „Lebensphasenorientiertes Arbeiten“ ist unter vaa.de/verband/positionen/lebensphasenorientiertes-arbeiten zu finden. Eine ausführliche Fassung des Interviews gibt es in der aktuellen Ausgabe des VAA Magazins.