Unwetterwarnung: massive Umbauprogramme in deutschen Unternehmen
Was treibt die Umbaupläne in deutschen Unternehmen voran und wie können sich Arbeitnehmervertreter darauf vorbereiten? Antworten gibt Dr. Christof Balkenhol in seinem Gastbeitrag für den VAA Newsletter. Er ist Geschäftsführer der MatrixPartner Beratungs GmbH und berät seit über 20 Jahren Arbeitnehmervertreter in strategischen, organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen.
Die Ankündigungen kamen im Juni und Juli in dichter Folge: BASF, Deutsche Bank, Daimler und Ford wollen in den kommenden Jahren jeweils mehrere tausend Stellen im Inland abbauen. Die Pharmariesen Sanofi und SandozHexal planen gegenwärtig eine deutliche Reduzierung ihrer F&E-Kapazitäten an deutschen Standorten. Im Oktober kündigt die Continental AG massive Personalreduzierungen an und plant unter anderem die Schließung eines Werks in Bayern. Gegenwärtig baut sich in deutschen Unternehmen eine Spar- und Stellenabbauwelle auf, die aus drei übergreifenden Strömungen gespeist wird.
Konjunktur schwächelt
Deutschland erwirtschaftet massive Handelsbilanzüberschüsse, ist also erheblich vom Export seiner Waren anhängig. Das gilt vor allem für die Automobilindustrie, den Maschinen- und Anlagenbau und die Chemie. Die Stimmung bei den Managern in produzierenden Unternehmen ist jedoch gedämpft; der Ifo-Konjunkturklimaindex für das Verarbeitende Gewerbe ist im Juli auf dem niedrigsten Stand seit Jahren gesunken; jedes zwölfte Industrieunternehmen erwartet für die kommenden Monate Kurzarbeit. Die Schwächephase der Industrie geht dabei über das übliche konjunkturelle Auf und Ab hinaus: Einerseits hat sich bei wichtigen Kunden der deutschen Industrie – unter andrem in China – das Entwicklungstempo deutlich verlangsamt und zusätzlich entfaltet die globale Protektionismuswelle eine insbesondere für exportabhängige Unternehmen schädliche Dynamik.
Digitalisierung wird greifbar
Seit mindestens fünf Jahre wird landauf landab über Chancen und Risiken der Digitalisierung diskutiert: Unternehmen setzen Projekte in Gang, um Arbeitsprozess und ganze Geschäftsmodell aus der analogen in die digitale Welt zu überführen. Dadurch entstehen neue Unternehmen und auch neue Arbeitsplätze in bestehenden Unternehmen. Gleichzeitig wird allerdings immer deutlicher, dass andere Arbeitsplätze entbehrlich werden.
Politische Trendwenden wirken
Neben Konjunktur- und Technologieeinflüssen werden einzelne Branchen durch gesellschaftspolitische Trendwenden in beschleunigte Transformationsprozess gedrängt. So hat die umweltpolitisch motivierte Dekarbonisierung nicht nur den Kohleausstieg in Deutschland erzwungen, sondern forciert auch das Ende des Verbrennungsmotors. Dadurch werden Automobilhersteller, aber auch Zulieferer wie Bosch oder Continental zu einem massiven Umbau der Entwicklungs- und Produktionskapazitäten gezwungen.
Interessenvertreter strategisch vorbereiten
Interessenvertreter sollten sich aktiv damit auseinandersetzen, ob und in welchem Umfang die drei genannten Treiber (Konjunkturentwicklung, Digitalisierung, gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen) die strategische Ausrichtung und die mittelfristige Kapazitäts- und Personalplanung in ihrem Unternehmen beeinflussen. Hier ist zunächst vor allem Transparenz über die Managementplanungen gefragt. Auf dieser Grundlage sind eigenständige Analysen und Bewertungen der Interessenvertreter auf Betriebs- und auf Unternehmensebene erforderlich, welche die Auswirkungen dieser Planungen auf die Beschäftigten in den Mittelpunkt stellen. Dabei ist eine enge Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat – soweit vorhanden – dringend zu empfehlen. Nur so erschließt sich ein Gesamtbild auf die mittelfristig erwarteten Unternehmens- und Beschäftigungsperspektiven und nur so lassen sich passgenaue Handlungsstrategien für Mitbestimmung entwickeln.
Dr. Christof Balkenhol ist Geschäftsführer der MatrixPartner Beratungs GmbH.