Coronapandemie: BAVC und VAA vereinbaren tarifliche Öffnungsklausel
Aus Anlass der durch die COVID-19-Pandemie verursachten konjunkturellen Einbrüche in der Auftrags- und Ertragslage vieler Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie haben der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und der VAA eine Öffnungsklausel zu § 5 des Manteltarifvertrags für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie vereinbart.
Der Klausel zufolge „kann zur Erreichung einer unternehmens- oder betriebseinheitlichen Regelung der Kurzarbeit von den Vorschriften des § 5 abgewichen werden“, sofern die konjunkturelle Entwicklung infolge von Auftragsrückgängen und Ertragseinbrüchen größere Produktionseinschränkungen erforderlich mache. Die Regelung gilt rückwirkend ab 1. März 2020 und ist bis zum 31. Dezember 2020 befristet.
„Die Sozialpartner in der Chemie tun alles in ihrer Kraft Stehende, um die Ausbreitung der durch das neuartige Coronavirus verursachten COVID-19-Pandemie einzudämmen“, betont VAA-Hauptgeschäftsführer Gerhard Kronisch. Dazu gehöre selbstverständlich, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer und Führungskräfte Verantwortung übernehmen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Die befristete Öffnungsklausel gibt den Unternehmen die nötige Flexibilität für schnelle und notwendige Reaktionen auf die konjunkturelle Entwicklung. „Wir sind davon überzeugt, dass wir am Ende gestärkt aus der Krise kommen“, so Kronisch. „Unser Akademiker-Manteltarifvertrag in der jetzigen Fassung gilt bereits seit 1976 und hat sich auch in Krisenzeiten stets bewährt.“
Kurzarbeit: Was regeln die Chemie-Tarifverträge?
In Paragraf 7 des Manteltarifvertrages der IG BCE ist der tarifvertragliche Zuschuss zum Kurzarbeitergeld geregelt, der steuerpflichtig zu gewähren ist. Die Höhe dieses tarifvertraglichen Zuschusses errechnet sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem infolge des Arbeitsausfalls verminderten Nettoarbeitsentgeltes, zuzüglich des Kurzarbeitergeldes und 90 Prozent des Nettoarbeitsentgeltes, das der Arbeitnehmer ohne Kurzarbeit erzielt hätte. Im Ergebnis werden zwar die 90 Prozent des vollen Entgelts nicht erreicht, aber ein erheblicher Teil des Einkommensverlustes ausgeglichen. Der zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC), der IG BCE und dem VAA abgeschlossene Akademiker-Manteltarifvertrag enthält bezüglich Kurzarbeit eine Regelung, die vorteilhaft ist, wenn die Kurzarbeit nur kurze Zeit dauert. Derzeit ist jedoch davon auszugehen, dass die Kurzarbeit längere Zeit andauern dürfte. In diesen Fällen ist die Regelung im Akademiker-Manteltarifvertrag nachteilig, da er keine tarifvertragliche Aufstockung auf 90 Prozent enthält. Der Vertrag enthält – quasi als Ausgleich – eine längere Ankündigungsfrist (ein Monat) und eine „Schonfrist“ (zwei Monate). Nach den zwei Monaten ist ein „angemessener Pauschalbetrag vom Gehalt zulässig“. Was das bedeutet, ist auslegungsfähig. Ein Anspruch auf die Aufstockung auf 90 Prozent besteht nicht.
Wozu soll die tarifliche Öffnungsklausel genutzt werden?
In einer solchen Situation ist es sinnvoll, für die vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer einheitliche Regelungen zur Kurzarbeit zu vereinbaren und den AT-Mitarbeitern die gleiche Aufstockung zu gewähren, wie allen anderen vom Betriebsrat vertretenen Mitarbeitern. Dies geht nur mit einer Öffnungsklausel, wie sie zwischen VAA und BAVC vereinbart wurde. So wird eine unternehmens- und betriebseinheitliche Regelung zur Kurzarbeit ermöglicht, die zu einer Gleichbehandlung aller vom Betriebsrat vertretenen Mitarbeiter führt. Für VAA-Mitglieder, die unter den Akademiker-Manteltarifvertrag fallen, entfällt damit zwar die zweimonatige „Schonfrist“, sie erhalten dafür aber die Aufstockung auf 90 Prozent. Da die kollektivrechtlichen Regelungen zur Kurzarbeit bei den Tarifvertragsparteien – also auch beim VAA – zu hinterlegen sind, ist sichergestellt, dass der VAA einen Überblick über die unterschiedlichen Regelungen bekommt.
Was gilt für leitende Angestellte?
Für leitende Angestellte, die regelmäßig aufgaben- und nicht arbeitszeitbezogen arbeiten, gilt: Kurzarbeit ist kein geeignetes Instrument, um der gegenwärtigen schwierigen wirtschaftlichen Situation zu begegnen. Ein politischer Solidarbeitrag (zum Beispiel in Form einer Gehaltskürzung um zehn Prozent) dieser Personengruppe kann aus VAA-Sicht nur freiwillig erfolgen. Für leitende Angestellte ist hier eine Sprecherausschussrichtlinie im Sinne von Paragraf 28 Absatz 1 Sprecherausschussgesetz denkbar. Sie bedarf jedoch immer der einzelvertraglichen Umsetzung mit der Folge, dass es in jedem Fall ein freiwilliger Solidarbeitrag bleibt. Es ist davon auszugehen, dass es in Sachen Kurzarbeit nach wie vor vielfältigen Beratungsbedarf geben wird. Die VAA-Juristen stehen hierfür jederzeit zur Verfügung.
Allgemeine Informationen zur Kurzarbeit für außertarifliche und leitende Angestellte gibt es in den VAA-Informationen.