ULA-Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für ein Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und zur Stärkung der Betriebsräte (Betriebsrätestärkungsgesetz)

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Die ULA ist die Vereinigung der deutschen Führungskräfteverbände. Sie vertritt die politischen Interes-sen der Führungskräfte gegenüber Regierung und Parlament sowohl in Berlin als auch in Brüssel. Mit siebzehn Mitgliedsverbänden bildet sie den größten Zusammenschluss von Führungskräften in Deutschland. Die ULA ist Mitglied in der CEC – European Managers, dem europäischen Dachverband für Führungskräfte, der rund eine Million Mitglieder vertritt.

1. Zusammenfassende Bewertung

Die ULA sieht in dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) für ein Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und zur Stärkung der Betriebsräte (Betriebsrätestär-kungsgesetz) vom 21. Dezember 2020 einen in Teilaspekten geeigneten und wichtigen Beitrag, die Mitbestimmung zukunftsfest auszugestalten. Die ULA sieht in der Mitbestimmung einen entscheidenden Faktor für den Erfolg des Wirtschaftsstandortes Deutschland und unterstützt daher die grundsätzliche Zielsetzung des Betriebsrätestärkungsgesetzes, die Gründung und Wahlen von Betriebsräten zu erleichtern.

Die Stellungnahme der ULA beschränkt sich im Wesentlichen auf die für Führungskräfte relevanten Bestimmungen des Entwurfes. Insbesondere mit der dauerhaften Möglichkeit zur digitalen Beratung und Beschlussfassung für Sprecherausschüsse mittels Video- und Telefonkonferenzen kommt das BMAS einer Kernforderung der Führungskräfte nach.

Mit Blick auf die erfolgreiche und seit Jahrzehnten etablierte Einbindung der Führungskräfte in die betriebliche Mitbestimmung über die Sprecherausschüsse regen wir an, an Stelle eines Gesetzes zur Stärkung der Betriebsräte umfassender von einem Gesetz zur „Stärkung der Mitbestimmung“ zu sprechen. Ebenso sollte dieser Aspekt Eingang in die Begründung des Gesetzes finden.

2. Begründung

2.1 Änderung des Sprecherausschussgesetzes (SprAuG): Zustimmung zur digitalen Mitbestimmung
Als Dachverband der Führungskräfte setzt sich die ULA dafür ein, die Chancen der Digitalisierung für die Arbeit der Arbeitnehmervertreter aber auch die Möglichkeit zu Online Wahlen gewinnbringend zu nutzen. Dies gilt umso mehr für die Mitbestimmung der leitenden Angestellten.

Die ULA als politische Stimme der Führungskräfte in Deutschland sieht sich als Partner in der deutschen Mitbestimmungslandschaft. Zur Betriebsverfassung zählen auch die parallel zu den Betriebsräten gewählten Sprecherausschüsse als Vertretungen der leitenden Angestellten. Mittels des Sprecherausschussgesetzes als wichtiger Teil der Mitbestimmung ist es dabei erfolgreich gelungen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den oberen Führungsebenen großer Unternehmen in das System der kollektiven Interessenvertretung und in den sozialen Dialog einzubeziehen.

Mit Blick auf die digitale Mitbestimmung ist die besondere Situation zu berücksichtigen, dass bei einem Konzern-, Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss die jeweiligen Sprecherausschussmitglieder in der Regel an verschiedenen Standorten arbeiten. Für Sitzungen müssen die für diese ehrenamtliche Tätigkeit nicht freigestellten Vertreter der Führungskräfte oft quer durch Deutschland reisen. Die im Zuge der Covid-19-Pandemie erstmals nunmehr bis 30.06.2021 befristetet zugelassene selbstbestimmte Wahl der Durchführung von Sitzungen durch Video- und Telefonkonferenzen für die Sprecherausschussarbeit wird daher als Arbeitserleichterung begrüßt.

Mit dem Ziel, die ersten Erfahrungen der Führungskräfte mit diesen digitalen Optionen zu erheben, hat die ULA in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Strategie und Organisation der Technischen Universität München (Professorin Isabell Welpe und Dr. Theresa Treffers) im Zeitraum Oktober bis November 2020 eine erste Befragung unter rund 150 leitenden Angestellten und deren Teams zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Arbeitswelt, das Führungsverhalten, und die betriebliche Mitbestimmung durchgeführt. Mit 95 Prozent befürwortete eine klare Mehrheit der Befragten eine Fortführung der digitalen Beratungs- und Beschlussfassungsmöglichkeiten für die Sprecherausschüsse. Die Teilnehmer der Umfrage stimmten mehrheitlich der Aussage zu, dass die neuen Möglichkeiten die Mitbestimmung stärken und die Arbeit der Sprecherausschüsse vereinfachen. Gleichzeitig sprachen sich die Führungskräfte deutlich dafür aus, dass die Möglichkeit zum persönlichen Austausch von gewählten Arbeitnehmervertretern unabhängig von digitalen Beratungs- und Beschlussfassungsmöglichkeiten nicht durch die Unternehmen behindert oder eingeschränkt werden dürfe.

Die ULA wirbt dafür, über den bisherigen Referentenentwurf hinaus die Chancen der Digitalisierung noch konsequenter zur Stärkung der Mitbestimmung zu nutzen. Hierzu sollten im Rahmen eines Experimentierraums für die Sprecherausschüsse Online-Wahlen ermöglicht werden. Es ist zu erwarten, dass hierfür in absehbarer Zeit Software-Lösungen zur Verfügung stehen, die für die hohen Anforderungen an allgemeine Wahlen entsprechend zertifiziert sind. Von daher gilt es, jetzt den Weg für eine begrenzte Gruppe zu gestalten, um anhand dieser Erfahrungen zu gewinnen.

Ebenso sollte die Durchführung der Versammlung der leitenden Angestellten gemäß § 15 SprAuG optional digital ermöglicht werden. Diese soll nach dem Gesetz einmal im Jahr in den jeweiligen Unternehmen stattfinden. Zu der Versammlung ist der Arbeitgeber einzuladen. Die erste Praxiserfahrung aus der Zeit der Corona-Pandemie zeigt, dass die temporär ermöglichte virtuelle Durchführung eine deutlich höhere Beteiligungsquote mit sich brachte.

Vor diesem Hintergrund begrüßt die ULA grundsätzlich die Intention des vorliegenden Referentenentwurfs, Sprecherausschüssen weiterhin zu ermöglichen, unbefristet unter ausschließlich selbst gesetzten Rahmenbedingungen und unter Wahrung des Vorrangs der Präsenzsitzung, Sitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz durchzuführen.

Vorrang für Präsenzsitzung richtig ausgestalten (§ 12 Absatz 5 SprAuG)
Die ULA stimmt darin überein, dass die Durchführung als Präsenzsitzung gegenüber einer mittels Video- und Telefonkonferenz durchgeführten Sitzung vorzugswürdiger ist, da Körpersprache, Mimik oder Gestik digital nicht in gleicher Weise wahrgenommen werden können. Eine Video- oder Telefonkonferenz mit mehreren Teilnehmern kann nie das direkte vertrauensvolle Gespräch ersetzen. Die ULA begrüßt daher die Klarstellung in § 12 Absatz 5, dass die Sitzungen des Sprecherausschusses grundsätzlich als Präsenzsitzung stattfinden.

Konkretisierungen sicherstellen (§ 12 Absatz 6 (1) SprAuG)
Zweifel bleiben, ob die als § 12 Absatz 6 einzufügenden Konkretisierungen bereits geeignet sind, dass durch die Unternehmen (z.B. aus Kostengründen) keine Hürden für Präsenzsitzungen errichtet werden. Eine Verankerung in einer Geschäftsordnung unter „Vorrang der Präsenzsitzung“ erscheint richtig, da in den jeweiligen Betrieben am ehesten die individuellen Anforderungen abgeschätzt werden können. Gleichwohl bedeutet die Erstellung einer Geschäftsordnung gerade für kleine Sprecherausschüsse oftmals Neuland und führt eventuell zu zusätzlicher Bürokratie. Ebenso begrüßt die ULA, dass es Seitens des Gesetzgebers keine Einschränkungen hinsichtlich der möglichen Themen von Sitzungen gibt, die ganz oder teilweise als Video- und Telefonkonferenz ausgerichtet werden.

Widerspruch praxisnah und unbürokratisch ausgestalten (§ 12 Absatz 6 (2) SprAuG)
Die unter § 12 Absatz 6 (2) erfolgte Festlegung, dass die Nutzung von Video- oder Telefonkon-ferenzen nur dann zulässig ist, wenn nicht zuvor ein Viertel der Mitglieder des Sprecherausschusses diesem Verfahren widerspricht, erscheint als geeignetes Verfahren. Der vorgelegte Entwurf festigt die Stellung des/der Vorsitzenden der Sprecherausschüsse. Dieser hat mit der Einladung darauf hinzuweisen, dass und in welcher Weise die Nutzung von Video- und Telefonkonferenz beabsichtigt ist sowie eine angemessene Frist zum Widerspruch zu setzen. Gemäß der Begründung hat der Widerspruch gegenüber dem Vorsitzenden zu erfolgen und ist nicht formgebunden. Diese Regelungen erscheinen praxisnah und unbürokratisch. Gleichwohl erfordern sie ein vertrauensvolles Gebaren des Vorsitzenden.

Zuverlässige und sichere technische Basis unabdingbar (§ 12 Absatz 6 (3) SprAuG)
Wichtig für einen Erfolg des Modells ist aus Sicht der ULA, dass in allen Fällen eine zuverlässige technische Basis für vertrauensvolle Beratungen der gewählten Arbeitnehmervertreter gegeben ist. Ebenso, dass eine Aufzeichnung der Sitzungen unzulässig ist.

2.2 Stärkung der Mitbestimmung durch Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG)
Die Unternehmen in den von der ULA vertretenen Branchen sind faire und anerkannte Partner in der Mitbestimmung. Gleichwohl sieht die ULA die Herausforderungen, den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in allen Branchen bei der Gründung einer Arbeitnehmervertretung zu verbessern. Die vom BMAS vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung des Kündigungsschutzes zur Sicherung der Wahlen zum Betriebsrat erscheinen hierfür ein möglicher Weg zu sein. Vor diesem Hintergrund begrüßt die ULA, vor allem in kleinen und mittleren Betrieben, die Gründung von Betriebsräten durch Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens zu erleichtern.

2.3 Ausweitung der Mitbestimmung auf mobile Arbeit (§ 87 Absatz 1 Nr. 14 BetrVG)
Derzeit ist ein einheitlicher und verbindlicher Rechtsrahmen nicht gewährleistet. Mit dem Ziel, mobile Arbeit zu fördern und um zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei ihrer Wahrnehmung einen einheitlichen und verbindlichen Rahmen zu gewährleisten, beabsichtigt das BMAS in § 87 Absatz 1 BetrVG ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit einzuführen. Das BMAS geht davon aus, dass Betriebsräte mit diesem neuen Recht den Abschluss von speziellen Betriebsvereinbarungen zu mobiler Arbeit anstreben werden. Die Führungskräftevereinigung ULA begrüßt grundsätzlich diese Zielsetzung.

Für Führungskräfte ist mobiles Arbeiten schon von jeher ein inhärenter Teil ihres konkreten Wirkens und gehört zu deren Alltag. Anforderungen und Aufgaben sind für Führungskräfte oftmals so zugeschnitten, dass mobiles Arbeiten eine Voraussetzung ist, diese erfolgreich zu bewältigen. Bei der Ausgestaltung sollte sich daher an der betrieblichen Praxis und den Vereinbarungen in den Unternehmen orientiert werden, die vielfach bereits erfolgreich umgesetzt sind.

Sofern es die Arbeitssituation erlaubt und für beide Seiten die Vorteile überwiegen, sollten alle Arbeitnehmer (und nicht nur die Führungskräfte) in Absprache mit dem Arbeitgeber die Möglichkeit haben, alternativ auch mobil zu arbeiten und dafür die geeigneten Instrumente und Unterstützung erhalten. Neben einer Arbeitsmöglichkeit im Unternehmen können sie flexibel an einem anderen Ort tätig sein.

Aus Sicht der ULA ist entscheidend, dass aufgrund der doppelten Freiwilligkeit bei dieser Arbeitsform die Verantwortlichkeiten gemeinsam bei Arbeitgebern, Führungskräften und Mitarbeitern liegen und gemeinsam getragen werden müssen.

Die ULA hat zu dieser Themenstellung bereits zum Referentenentwurf des BMAS für ein Gesetz zur mobilen Arbeit (Mobile Arbeit-Gesetz – MAG) vom 30. November 2020 umfassend Stellung bezogen.

3. Kernforderungen der Führungskräfte

• Zustimmung zur vorgeschlagenen Regelung der selbstbestimmten Möglichkeit für Sprecherausschüsse, Sitzungen mittels Video- und Telefonkonferenzen, unbefristet unter ausschließlich selbst gesetzten Rahmenbedingungen und unter Wahrung des Vorrangs der Präsenzsitzung, durchzuführen.
• Online-Wahlen für Sprecherausschüsse und digitale Versammlungen der leitenden Angestellten ermöglichen.
• Für mobiles Arbeiten muss die doppelte Freiwilligkeit die Maßgabe sein.

 

Die ULA-Stellungnahme als PDF-Download finden Sie hier.