ULA-Stellungnahme zum Rentenpaket II
Der Deutsche Führungskräfteverband ULA ist die Stimme für Leistung und Verantwortung. Die ULA vertritt die politischen Interessen der Führungskräfte gegenüber Regierung und Parlament sowohl in Berlin als auch in Brüssel. Mit dreizehn Mitgliedsverbänden bildet sie den größten Zusammenschluss von Führungskräften in Deutschland. Die ULA ist Gründungsmitglied in der CEC – European Managers, dem von der EU-Kommission als Sozialpartner anerkannten europäischen Dachverband für Führungskräfte, der rund eine Million Mitglieder aus 15 Ländern vertritt.
1. Zusammenfassende Bewertung
Der Deutsche Führungskräfteverband ULA sieht in dem vorliegenden Entwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie des Bundesministeriums der Finanzen für das so genannte Rentenpaket II in der Gesamtheit keinen geeigneten Beitrag, die Altersvorsorge hierzulande zukunftssicher aufzustellen.
Das Festhalten und geplante Fortschreiben der Haltelinie von 48 Prozent des Rentenniveaus ist ein Zeichen der Mutlosigkeit, da die Finanzierbarkeit der Haltelinie nicht gegeben ist. Das Rentenpaket II ist ungerecht, weil die notwendigen Beitragssteigerungen insbesondere die junge Generation massiv belastet werden. Es schwächt den Wirtschaftsstandort, der durch die weiter steigenden Sozialbeiträge und Steuern nochmals an Attraktivität im globalen Wettbewerb um dringend benötigte Fachkräfte verlieren wird. Erforderliche Reformen zur Systemstärkung werden hingegen unterlassen und in die Zukunft verlagert.
Grundsätzliche Unterstützung der ULA findet die weitere Zielsetzung des Gesetzesvorhabens, über den Einstieg in eine Kapitaldeckung einen Beitrag zur Beitragssatzstabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (DRV) zu leisten.
2. Begründung
Die Absicherung des Lebensabends ist eine der zentralen Forderungen der Bürger an die Politik. Das Vertrauen hierauf ist mit ausschlaggebend für die Akzeptanz unseres politischen und gesellschaftlichen Systems sowie der Sozialen Marktwirtschaft. Vor dem Hintergrund, dass die staatliche Absicherung in Form der DRV nur einen gedeckelten Baustein der Altersvorsorge darstellt, kann nur eine zukunftssichere Ausgestaltung aller Altersversorgungs-Säulen sowie eine umfassende Aufklärung über deren Zusammenwirken gerade die junge Generation zur erforderlichen Vorsorge bewegen.
Galt es früher aus dem Blickwinkel der Führungskräfte nicht selten, ein zeitigeres Aussteigen aus dem Berufsleben abzusichern, gilt es heute verstärkt die Beschäftigung bis zur Regelaltersgrenze und darüber hinaus zu sichern sowie den erreichten Lebensstandard nach Renteneintritt zu halten. Das heutige umlagefinanzierte System der DRV gilt es hierzu vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, insbesondere im Hinblick auf Transparenz und Berechenbarkeit, zu reformieren.
Auch um Forderungen populistischer Parteien entgegenzuwirken, sind langfristig angelegte politische Konzepte erforderlich, die mehr Transparenz bei den erworbenen Anwartschaften, eine sinnvolle Verknüpfung und Stärkung aller 3-Säulen der Alterssicherung und eine soziale Antwort beinhalten, die die Lebensleistung arbeitender Bürger beim Rentenbezug gegenüber nicht Beschäftigten angemessen berücksichtigt. Dabei gilt es grundsätzlich, das Äquivalenzprinzip des Grundsatzes der Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung zu erhalten.
2.1 Festschreibung der Halteline ist ein Fehler und verlagert erforderliche Reformen zur Systemstärkung in die Zukunft
Die Bundesregierung erwartet bei einer Verlängerung der Haltelinie für das Rentenniveau bei 48 Prozent ab dem Jahr 2028 eine stärkere aber nach eigenen Angaben vertretbare Erhöhung des Beitragssatzes bis zum Jahr 2045 von heute 18,6 auf 22,3 Prozent. Darin sind die erwarteten Zuführungen von jährlich durchschnittlich 10 Milliarden Euro aus dem Generationenkapital ab dem Jahr 2036 bereits eingerechnet (entspricht 0,4 Prozent). Diese Annahmen zur Fortführung der bisherigen finanziellen Stabilität der umlagefinanzierten DRV erscheinen angesichts des demografischen Wandels und des damit verbundenen Fachkräftemangels aus Sicht der ULA fraglich.
Hinzu kommen negative Beschäftigungseffekte im Zuge der Transformation des Wirtschafts- und Industriestandortes hin zu mehr Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Viele der bisherigen Motoren der deutschen Wirtschaft wie die Chemieindustrie, der Automobilbau oder die Wohnungswirtschaft befinden sich aktuell in einer gravierenden Schwächephase. Teils ist davon auszugehen, dass es beispielsweise durch die anhaltend hohen Energiekosten zu einer dauerhaften Abwanderung kommt.
Laut aktueller Berechnungen lagen die Netto-Abflüsse der Investitionen der Unternehmen im vergangenen Jahr bei 94 Milliarden Euro (IW Köln März 2024). Die wiederholt hohen Netto-Abflüsse können als erste Symptome einer Deindustrialisierung gedeutet werden. Ein wichtiges Anzeichen, die DRV so aufzustellen, dass diese mit weniger als mit mehr Zuschüssen aus dem Bundeshalt auskommt.
Die ULA teilt nicht die Einschätzung der Bundesregierung, dass die bisherige Festschreibung des Rentenniveaus von mindestens 48 Prozent vertrauensbildend gewirkt hat. Insbesondere die junge Generation sieht diese und zukünftig dafür zu tragenden Lasten kritisch. Zudem handelt es sich um eine Rechengröße, die das tatsächlich verfügbare Haushaltseinkommen der Rentnerinnen und Rentner unberücksichtigt lässt und sich deshalb auch nicht als Leitgröße für die zukünftige Ausrichtung der DRV anbietet. Eine Festschreibung der Haltelinie bis 2039 hinaus würde weitere massive Steuerzuschüsse erfordern, die im Bundeshaushalt für notwendige Zukunftsinvestitionen beispielsweise in Bildung und Infrastruktur fehlen. Die geplante Abkehr von dem bislang ab 2025 vorgesehenen sukzessiven Absinken des Rentenniveaus ist ein Fehler.
Eine aktuelle Studie zur Tragfähigkeit der Sozialversicherung zeigt, dass bereits bei Fortschreibung der Leistungsansprüche des Status quo der Gesamtbeitragssatz von heute 40,9 Prozent auf über 50 Prozent im Jahre 2050 ansteigen würde (Prof. Dr. Hagist, WHU / Die Familienunternehmer 2024). Dies sei ein hypothetisches Szenario, denn durch die steigenden Beitragssätze würde ein „Kipppunkt“ erreicht, bei dem die junge Generation den Generationenvertrag einseitig aufkündigen und sich in Schwarzarbeit oder Auswanderung verabschieden werde. Die Abwanderung junger Akademiker und Fachkräfte ins Ausland trägt schon jetzt zur Schwächung der Sozialsysteme in der Zukunft bei.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen würden ferner dazu beitragen, langfristig die Rentenversicherung im Sinne einer weiteren Entkopplung von Beitragsleistung und Rentenhöhe zu schwächen. Das Festhalten an der Halteline hat eine absehbare immer stärkere Stützung der DRV durch Zuschüsse aus allgemeinen Steuermitteln zur Folge. So belasten die gut gemeinten Maßnahmen am Ende die künftigen Generationen überproportional über höhere Sozialbeiträge und Steuern. 2022 betrugen die Bundesmittel und Bundeszuschüsse bereits insgesamt rund 109 Milliarden Euro.
2.2 Generationenkapital
Die ULA unterstützt grundsätzlich das Anliegen, über Renditechancen auf dem Kapitalmarkt die umlagefinanzierte erste Säule zu entlasten und dafür zu sorgen, dass der Beitragssatz der DRV ab 2036 nicht noch stärker ansteigt als ohnehin schon. Der Einstieg in die Kapitaldeckung der ersten Säule erscheint richtig, bleibt in der gewählten Höhe und Ausgestaltung jedoch zu hinterfragen.
Insbesondere erscheint es fraglich, ob die geplanten 200 Milliarden Euro, die zum Teil durch die Übertragung von Bundesbeteiligungen erreicht werden sollen, ausreichen, um mittels der Renditeannahmen einen nachhaltigen Effekt auf das Rentensystem zu erwirken.
Ferner ist es von zentraler Bedeutung, sicherzustellen, die „Stiftung Generationenkapital“ dauerhaft mit den jährlichen Mittelzuflüssen auszustatten und deren Anlageentscheidungen unabhängig von politischen Einflüssen zu halten. Es bleibt die Gefahr industriepolitischer und ethischer Zweckentfremdung durch politische Entscheidungsträger. Dies widerspricht dem Anlagezweck und kann die Renditeziele gefährden.
Eine eigentumsrechtliche Absicherung der Einlage im Sinne skandinavischer Modelle wäre die bevorzugte Lösung gewesen, um eine Kapitaldeckung der Altersvorsorge aufzubauen und Vertrauen in dieses neue Instrument zu bilden.
Die Einführung eines Generationenkapitals wäre als Maßnahme in keiner Weise ausreichend, alleine die Herausforderungen für die 2030er Jahre zu lösen. Angesichts des Festhaltens an den Haltelinien und der Ablehnung einer längeren Lebensarbeitszeit bleibt die erste Säule der Altersvorsorge nicht zukunftsfest. Vielmehr würde das Rentenpaket II zu einer weiteren Schwächung beitragen.
3. Kernforderungen der Führungskräfte
Die ULA sieht in den Folgen der in dem Entwurf vorgeschlagenen wie auch der unterlassenen Reformen die Gefahr, dass die weitere Belastung des Kostenfaktors Arbeit durch ansteigende Sozialabgaben wie auch drohende Steuererhöhungen zur Gegenfinanzierung die Attraktivität von Leistung und Verantwortung weiter unterminiert.
Die Führungskräfte fordern:
- Rückkehr zu einer aktiven Wachstums- und Reformpolitik (seit der Agenda 2010 Stillstand und Rückschritt in Deutschland)
- Sozialversicherungsabgaben auf Arbeitsentgelte sollen dauerhaft wieder unter 40 Prozent gehalten werden
- Beibehaltung des Äquivalenzprinzips
- Versicherungsfremde Leistungen auf den Prüfstand stellen und gesamtgesellschaftlich finanzieren
- Prämisse für alle Reformen muss die Generationengerechtigkeit sein
3.1 Generationengerechtigkeit: Prämisse für alle Reformen
Zur nachhaltigen Stärkung der ersten Säule der Altersvorsorge ist der vorliegende Gesetzentwurf abzulehnen und eine Abkehr von der doppelten Haltelinie erforderlich. Angesichts der stetig steigenden Lebenserwartung kann darüber hinaus eine Koppelung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung die junge Genration spürbar entlasten. Hierfür ist es unabdingbar, sinnvolle Modelle unter anderem für eine attraktive und flexible Altersteilzeit, die altersgerechte Ausstattung der Arbeitsplätze sowie für die betriebliche Weiterbildung zu entwickeln.
Dabei gilt es, das Expertenwissen gerade der Fach- und Führungskräfte an die Unternehmen zu binden. Gleichzeitig ist es notwendig, der Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer, insbesondere bei zeitlich und verantwortungsbedingter hoher Arbeitsbelastung sowie in körperlich fordernden Tätigkeiten, gerecht zu werden. Ein Schlüssel für eine erfolgreiche längere Einbindung älterer Arbeitnehmer in die Unternehmen ist ihre Wertschätzung.
Bei Berufsgruppen, welche aufgrund von gesetzlichen Regularien ihre Tätigkeit nicht bis zum regulären Renteneintrittsalter ausüben dürfen, ist der Gesetzgeber gefordert sicherzustellen, dass durch geeignete Versorgungsmodelle die bereits heute bestehende finanzielle Lücke zwischen gesetzlich bedingtem Ende der Tätigkeit und regulärem Renteneintrittsalter geschlossen wird.
Gesetzlich bedingte Beschränkungen der Ausübung von Berufen (zum Beispiel durch medizinische Begrenzung von einer für die Tätigkeit verpflichtenden Lizenzierung) dürfen nicht zu Abschlägen bei der Alterssicherung und damit zu einer finanziellen Belastung der betroffenen Berufsgruppe führen. Dies würde umso mehr bei einer weiteren Anhebung des gesetzlichen Regelrentenalters gelten, durch welche sich diese Versorgungslücke noch weiter vergrößern würde.
Versicherungsfremde Leistungen wie die Mütterrente und die abschlagsfreie vorgezogene Rente für langjährig Versicherte (45 Jahre) dürfen nicht länger über die Rentenkasse finanziert werden. In den vergangenen Jahren sind laut DRV bereits rund die Hälfte aller Rentner mit einer Altersrente früher als eigentlich vorgesehen aus dem Arbeitsleben ausgeschieden.
3.2 Private Vorsorge umfassend reformieren
Außerhalb der gesetzlichen Rente müssen vorrangig existierende kapitalgedeckte Systeme gestärkt werden, statt zeitaufwändig neue Systeme aufzubauen. Insbesondere die private Zulagenrente (Riester) bedarf dringend einer Reform. Wichtigste Aufgabe ist es, die Attraktivität durch mehr Transparenz und Effizienz zu steigern. Derzeit führen die Komplexität der Prozesse und die schwer verständliche Förderung zu hohem betriebswirtschaftlichem und Beratungsaufwand und dadurch zu Produkten mit teils hohen Kosten, welche den Bürgern eine transparente Entscheidung erschweren und den Ruf des an sich guten Produktes oftmals in ein schlechtes Licht rücken.
Die Zulagenbeantragung und -gewährung wie auch der Informationsfluss insgesamt sind zu digitalisieren, um einen automatisierten Datenabgleich mit den Finanzämtern zu erreichen. Dies dient der Einsparung von Kosten und dem Abbau von Fehlerquellen. Gleichzeitig sollte mehr Transparenz bei den Bürgern über die Höhe der möglichen Förderung und die zur stärkeren Ausschöpfung der Förderung nötigen Eigenleistung zu erreichen (aktuell erhalten nur 50 Prozent der Sparer die volle Förderung). Gerade für Geringverdiener und kinderreiche Familien kann das bisherige System dabei durchaus Vorteile bieten.
Die Arbeitsgruppe Zukunftssichere Altersvorsorge der ULA hat über die hier dargestellten Aspekte weitere Maßnahmen und Forderungen entwickelt, um alle drei Säulen der Altersvorsorge nachhaltig aufzustellen. Diese sind abzurufen unter: https://www.ula.de/themenkategorie/positionen/