ULA-Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Zweites Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG II)

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Der Deutsche Führungskräfteverband ULA e.V. ist die Stimme für Leistung und Verantwortung. Die ULA vertritt die politischen Interessen der Führungskräfte gegenüber Regierung und Parlament sowohl in Berlin als auch in Brüssel. Mit 13 Mitgliedsverbänden bildet sie den größten Zusammenschluss von Führungskräften in Deutschland. Die ULA ist Gründungsmitglied in der CEC – European Managers, dem von der EU-Kommission als Sozialpartner anerkannten europäischen Dachverband für Führungskräfte, der rund eine Million Mitglieder aus 15 Ländern vertritt.

 

1. Zusammenfassende Bewertung

Der Deutsche Führungskräfteverband ULA warnt davor, dem vorliegenden Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) seine Zustimmung zu geben. Das Ziel der Wachstumsinitiative, den Finanz- und Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken, wird von den Führungskräfteverbänden begrüßt. Die im Entwurf des Zweiten Zukunftsfinanzierungsgesetzes enthaltene weitere Aufweichung des Kündigungsschutzes für Leistungsträger ist jedoch ein Irrweg.

Schon die Einschränkungen des Kündigungsschutzes im Zuge des Br­e­xit-Steu­er­be­gleit­ge­setz (Brexit-StBG) von 2019 haben keine relevante Beschäftigungswirkung entfaltet. Die ULA hatte gemeinsam mit dem DGB bereits gewarnt, dass dieser Angriff auf den Kündigungsschutz einen gefährlichen Präzedenzfall schafft, um das Erfolgsmodell Soziale Marktwirtschaft zu untergraben. Die nun hieran anknüpfenden Vorstöße der derzeitigen Regierungsparteien SPD, B‘90/Die Grünen und FDP würden bei Erfolg einen Zwei-Klassen-Kündigungsschutz manifestieren und die Belegschaften spalten.

Der Deutsche Führungskräfteverband ULA fordert die Bundesregierung daher auf, die 2019 beschlossenen Einschränkungen des Kündigungsschutzes wegen Erfolglosigkeit zurückzunehmen, anstatt diese wie geplant zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auszuweiten.

 

2. Begründung

Die Bundesregierung beabsichtigt im Zuge der Wachstumsinitiative (Ziffer 36), die Rahmenbedingungen für Spitzenverdiener im Finanzsektor zu flexibilisieren. Hierzu soll mittels des vorliegenden Gesetzesentwurfes der Kündigungsschutz für Bezieher sehr hoher Einkommen im Finanzsektor gelockert werden, indem die schon bestehenden Regelungen für Risikoträger in systemrelevanten Banken auch auf nicht-systemrelevante Banken sowie Versicherungen, Wertpapierinstitute und Kapitalanlagegesellschaften ausgeweitet werden.

Hierzu ist beabsichtigt, im Kreditwesengesetz (KWG, Artikel 34) die bisherige Beschränkung auf bedeutende Institute aufzuheben. Im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB, Artikel 44) sowie im Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG, Artikel 42) und Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG, Artikel 48) sollen hierzu entsprechende Regelungen eingeführt werden.

Aus Sicht des Deutschen Führungskräfteverbands ist diese Maßnahme nicht geeignet, den deutsche Finanzstandort im Wettbewerb mit anderen europäischen Finanzplätzen zu stärken.

 

2.1 Keine relevanten Beschäftigungseffekte

Die Aufweichung des Kündigungsschutzes im Zuge Gesetzes über steuerliche und weitere Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (Brexit-Steuerbegleitgesetz – Brexit-StBG) vom 25. März 2019 war rückblickend kein geeigneter Beitrag, den Banken- und Finanzstandort zu stärken. Die Prognose, dass durch den Brexit 10.000 neue Arbeitsplätze in der Finanzbranche in Deutschland entstehen, wurde trotz der Aufweichung des Kündigungsschutzes mit geschätzt wenigen tausend deutlich verfehlt.

Vielmehr werden die 2019 geschaffenen Regelungen vermehrt genutzt, um die Abfindungen für langgediente Führungskräfte zu reduzieren und sich aus Sicht der Unternehmen hierzulande günstig von diesen zu trennen. Wie von der ULA befürchtet, sind diese – in der eigentlichen Sache wirkungslosen Maßnahmen – der Türöffner, um nun weitergehende Angriffe auf den Kündigungsschutz vorzunehmen.

Angesichts der bevorstehenden gewaltigen Aufgaben, die deutsche Wirtschaft hin zu mehr Klimaschutz, Energieeffizienz und Digitalisierung zu transformieren, kommt es gerade auch auf die Führungskräfte an. Diese sind diejenigen, die die Vorgaben der Politik in der Praxis umsetzen müssen, wenn der Standort wieder wettbewerbsfähig werden soll.

Die Führungskräfte sind sich ihrer Verantwortung bewusst und stehen bereit, gemeinsam für Wachstum und Wohlstand einzustehen. ULA wendet sich aber entschieden dagegen, den Kündigungsschutz und damit einen Eckpfeiler des deutschen Erfolgsmodells Soziale Marktwirtschaft nun aus reinen Profitgründen zu opfern.

 

2.2 Nicht Verfassungskonform

Mit ihrer Verknüpfung von Gehaltshöhe und der Funktion „Risikoträger“ stellen die Regelungen des Brexit-StBG seit 2019 einen Fremdkörper im deutschen Arbeitsrecht dar. Der Deutsche Führungskräfteverband geht weiterhin davon aus, dass bereits die 2019 erfolgte Lockerung des Kündigungsschutzes für die sogenannten Risikoträger nicht verfassungskonform erfolgte.

Aus einem Gutachten des Vorsitzenden Richters am Bundesarbeitsgericht a.D., Herrn Burkhard Kreft, geht eindeutig hervor, dass die Einbeziehung gutverdienender Arbeitnehmer in die Regelungen für leitende Angestellte in § 14 Abs. 2 KSchG gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verstößt. Zudem stellt das willkürliche Herausgreifen der Gruppe gutverdienende „Risikoträger“ iSv. § 2 Abs. 8 InstVergVO einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG dar.

 

2.3 Sozialpolitisch nicht akzeptabel

Der Vorstoß ist auch unter sozialpolitischen Gesichtspunkten nicht akzeptabel. Der dem deutschen Kündigungsschutz immanente Grundsatz „Bestandsschutz vor Abfindungsschutz“ als einer der Grundpfeiler unserer Arbeitsordnung sichert den sozialen Frieden in Betrieben und Unternehmen.

Der Kündigungsschutz gleicht die strukturelle Unterlegenheit der abhängig Beschäftigten aus, deren grundsätzliche Schutzbedürftigkeit nicht ab einer bestimmten Einkommenshöhe wegfällt – denn auch Beschäftigte mit höheren Einkommen können ihre Vertragsbedingungen in der Regel nicht auf gleicher Augenhöhe mitbestimmen und durchsetzen.

Der Deutsche Führungskräfteverband warnt davor, dass mittelfristig durch den Wechsel zum bloßen Abfindungsschutz für einzelne angeblich nicht schutzbedürftige Berufsgruppen eine Schwächung der Schutzinteressen aller Beschäftigtengruppen in Deutschland droht.

 

2.3 Aufweichung des Kündigungsschutzes macht Beschäftigte zum Spielball der Politik

Die heute geltenden eingeschränkten Rechte für „Leitende Angestellte“ betreffen zu Recht nur die kleine Gruppe aus dem breiten Kreis der Führungskräfte, die beispielsweise als Personalleiter oder Geschäftsbereichsleiter großer Unternehmen über das Recht verfügen, selbstständig Personal zu entlassen oder einzustellen. Eine beliebige Ausweitung dieser Regelungen auf einzelne Branchen, Berufsgruppen oder auf Grund des individuellen Einkommens widerspricht die ULA ausdrücklich.

Die ULA hat vielmehr bereits 2019 davor gewarnt, dass sowohl eine Verdienstgrenze als auch der Adressatenkreis jedweder Neuregelung je nach politischen Kräfteverhältnissen künftig beliebig ausgestaltet werden können. Der Kündigungsschutz darf jedoch niemals zum politischen Spielball werden. Daher darf jetzt nicht eine einzelne Branche herausgegriffen werden, weil deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vermeintlich nicht des vollen Schutzes des Staates bedürfen.

Angesichts des zunehmenden Einflusses populistischer und demokratiefeindlicher Strömungen und Parteien würde ein Zwei-Klassen-Kündigungsschutz Wasser auf die Mühlen derer sein, die unseren Staat auseinandertreiben wollen.

Eine Umsetzung des Vorhabens würde nicht nur die Absicherung der Risikoträger in Banken in nicht zu rechtfertigender Weise verschlechtern. Vielmehr besteht die Gefahr, dass auch die Interessen weiterer Gruppen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland tangiert werden. Die ULA warnt davor, dass mittelfristig weite Teile der deutschen Leistungsträger als Folge dieses Dammbruches aus dem Kündigungsschutz gedrängt werden.

Mit Artikel 34 (25 a KWG – Kreditwesengesetz) soll die Lockerung des Kündigungsschutzes, die bis jetzt nur für systemrelevante Institute galt, auf alle Institute ausgeweitet werden. Artikel 44 Nr. 3 (§ 37 Kapitalanlagegesetzbuch – KAGB) zählt zu der Gruppe der Risikoträger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kontrollfunktion wie im Risikomanagement, der Compliance, der internen Revision und der Rechtsabteilung.

Darüber hinaus werden aber auch Mitarbeiter der Verwaltung, des Marketingbereiches oder der Personalabteilungen angeführt. Ferner einbezogen sind beispielsweise Verkaufsmitarbeiter, die berechtigt sind, Verträge abzuschließen.

Mit Artikel 48 Nr. 3 (§ 24 Abs. 5 VAG neu) soll für Personen in Versicherungen, die das Unternehmen tatsächlich leiten oder deren Tätigkeiten einen wesentlichen Einfluss auf das Gesamtrisikoprofil haben, ebenso der Kündigungsschutz gelockert werden. Nur der Arbeitgeber soll die Möglichkeit erhalten, dass Arbeitsverhältnis ohne Begründung gegen eine Zahlung von maximal einem Bruttojahresgehalt aufzulösen. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbleibt es bei dem Begründungserfordernis des § 9 KSchG.

Die ULA, sieht darin eine weitere Aushöhlung des Kündigungsschutzgesetzes, welches auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses ausgerichtet ist. Die Führungskräfteverbände lehnen ein Zwei-Klassen-Arbeitsrecht entschieden ab. Die strukturelle Unterlegenheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hängt nicht allein vom Verdienst ab.

 

2.4 Argumente verfangen nicht

Wie bereits 2018 weisen wir darauf hin, dass der deutsche Kündigungsschutz kein Standortnachteil ist, sondern vielmehr ein Standortvorteil für attraktive und sichere Beschäftigungsbedingungen, Produktivität und Stabilität.

Hohe rechtlichen Schutzstandards in Deutschland sind – nicht nur in Zeiten des Fachkräftemangels – ein Standortvorteil im internationalen Ringen um die besten Köpfe. Das deutsche Kündigungsschutzrecht stellt nachweislich kein Einstellungshemmnis dar.

2019 argumentierte sie damalige CDU/CSU und SPD geführte Bundesregierung beim Brexit-StBG noch, den Finanzstandort Deutschland für Investoren attraktiver ausgestalten zu müssen, damit neue Arbeitsplätze entstehen sollten. 2024 wird nunmehr der sich auch für mittlere und kleinere Finanzdienstleister verschärfende Wettbewerb und eine zunehmende Internationalisierung des Arbeitsmarkts für Finanzdienstleistungen angeführt, um den Kündigungsschutz in Deutschland weiter schleifen zu können. Diese Argumentation – obgleich nicht schlüssig und nicht richtig – ließe sich auf nahezu alle Branchen und Sektoren Deutschlands übertragen.

 

3. Fazit

Die Führungskräfte unterstützen das Ziel, den Finanz- und Bankenstandort Deutschland zu stärken. Einem Systemwechsel in einem so wichtigen und allerorts geschätzten Baustein unseres Sozialstaates aus in ihrer Notwendigkeit nicht belegten und arbeitsmarktpolitisch nicht tragfähigen Erwägungen einzuleiten, widersprechen wir jedoch ausdrücklich.

 Der Deutsche Führungskräfteverband ULA lehnt den vorliegenden Referentenentwurf daher ab und warnt die Bundesregierung als politische Stimme der angestellten Fach- und Führungskräfte eindringlich, den Kündigungsschutz weiter aufzuweichen. Vielmehr sollte die Gelegenheit genutzt werden, die 2019 erfolgten Verwässerungen aufgrund von deren Erfolglosigkeit zurückzunehmen, um keinen Zwei-Klassen-Kündigungsschutz zu zementieren.

 

ULA-Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Zweites Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG II)