Pro & Contra: Höhere Steuern auf Spitzenverdienste – Wirtschaftlicher Nutzen oder Risiko?

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Die geplante Erhöhung des Spitzen- und Höchststeuersatzes für Topverdiener sorgt in Politik und Wirtschaft für lebhafte Diskussionen. Sollte der Gesetzgeber tatsächlich die Steuersätze für hohe Einkommensgruppen anheben – mit dem Ziel, den Mittelstand steuerlich zu entlasten und die Wirtschaft zu stärken? Könnte eine solche Reform die Wirtschaft ankurbeln oder würde sie Investitionen eher ausbremsen? Dazu haben die ULA Nachrichten zwei führende Köpfe aus der Politik um ihre Standpunkte gebeten.

Christoph Meyer ist Stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag. 

Foto: Stefan Trocha – FDP-Fraktion

Bei der Wirtschaftswende, die die FDP seit gut einem Jahr fordert und dafür konkrete Vorschläge macht, geht es um Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum, Wohlstand und Zukunftsperspektiven. Um das zu erreichen, braucht es Entlastungen statt Belastungen. Die Erhöhung des Spitzensteuersatzes wäre das Gegenteil der Wirtschaftswende. Steuererhöhungen sind die realitätsignorierende und immer gleiche Antwort der linksgrünen Politik auf strukturelle Herausforderungen. Gemäß Steuerschätzung wird mit gesamtstaatlichen Einnahmen von 982,4 Milliarden Euro 2025 und 1,03 Billionen Euro 2026 gerechnet. Hier gilt es, sich die Frage zu stellen, warum das nicht ausreichen soll. Die Spitzensteuer zahlen in Deutschland rund vier Millionen Arbeitnehmer, Selbstständige und Inhaber von Betrieben wie beispielsweise Handwerker. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent greift 2024 ab einem zu versteuernden Einkommen von 66.761 Euro. Mit dem vollständigen Abbau der kalten Progression, was das Ziel der FDP ist, würde dieser Tarifeckwert 2025 auf 68.481 Euro angehoben werden. Von linksgrüner Seite wird hier schnell eine Neiddebatte aufgemacht.

Doch ist man mit einem Jahreseinkommen von gut 70.000 Euro reich? So viel verdient ein Großteil der Angestellten zum Beispiel in der Pharmazie, IT-Branche oder im Maschinenbau. Das ist die deutsche Mitte, hier sind viele der Leistungsträger des Landes zu finden. Wir brauchen wieder mehr Steuergerechtigkeit für die arbeitende Bevölkerung und einen Mentalitätswandel. Die staatliche Übergriffigkeit bei Steuern und Abgaben ist ein Standortrisiko.

Fabio De Masi ist Mitglied im Europäischen Parlament für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). 

Foto: Olaf Kostritz

Deutschland hat sich mit seiner Wirtschaftspolitik ins Abseits geschossen. Kaum etwas funktioniert noch im Land: Ob Züge, Schulen oder Industrie – das Land verlottert. Die Russland-Sanktionen schaden uns mehr als Putin. Sie haben Energie verteuert und das einseitige Verbrenner-Aus nimmt den Anreiz für den globalen Markt, emissionsarme Verbrenner dort zu produzieren, wo Elektromobilität die Netze überfordert.

Gleichzeitig investieren wir zu wenig, um die Infrastruktur zu erhalten, neue Technologien voranzubringen und positive Zukunftserwartungen zu schaffen. Auch die Reallöhne hinken dem Preisschock teilweise hinterher. Unter den Voraussetzungen der Schuldenbremse, die auch Investitionen bremst, muss der Staat Steuern erhöhen, um mehr zu investieren oder kleine und mittlere Einkommen und somit unsere Leistungsträger zu entlasten. Am Unschädlichsten sind Steuern bei extrem hohen Vermögen und Erbschaften, die aus Wirtschaftsmacht sowie ökonomischen Renten und Kapitaleinkünften (Dividenden et cetera) resultieren. Auch höhere Spitzensteuern können eine Rolle spielen.

Der Spitzensteuersatz sollte aber deutlich später greifen als heute. Steuern werden aber Deutschland wirtschaftlich nicht wieder in die Spur bringen. Dazu braucht es Investitionen und ein Ende der kopflosen Wirtschafts-, Energie- und Sanktionspolitik.