Modernisierung des EU-Gesellschaftsrechts nicht ohne Schutz der Mitbestimmung
Das Wichtigste in Kürze: Rund 15 Jahre nach der letzten grundlegenden Modernisierung des EU-Gesellschaftsrechts nimmt die EU-Kommission einen Anlauf für eine erneute Modernisierung des europäischen Gesellschaftsrechts. Dies hat Auswirkungen für die Mitbestimmung. CEC European Managers und die ULA als ihr deutscher Mitgliedsverband setzen sich für wirksame Mindeststandards bei den Systemen der Arbeitnehmerbeteiligung ein.
Dies schließt die gesamte Breite der in der EU existierenden unterschiedlichen Regelungen ein: Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung, also eine Arbeitnehmervertretung in Aufsichts- oder Leitungsgremien . Besonders wichtig ist dabei: neue Möglichkeiten zur Sitzverlegung sollten nicht genutzt werden können, um Mitbestimmung zu vermeiden oder bestehende Mitbestimmungsrechte abzuschwächen.
Ein Blick zurück
Die letzte große Modernisierungswelle im europäischen Gesellschaftsrecht zielte darauf ab, die Ausgangsbedingungen für Unternehmen im Bereich des Gesellschafsrechts anzugleichen. Dadurch sollte das Funktionieren des Binnenmarktes verbessert werden. Die Reformen sollten insbesondere die Niederlassungsfreiheit von Unternehmen fördern.
Ein konkretes Ergebnis des damaligen „Aktionsplans“ waren Verordnungen über neue Rechtsformen wie die Europäische Aktiengesellschaft (auch bekannt als Europäische Gesellschaft bzw. Societas Europaea (SE)) und die Europäische Genossenschaft. Die Verordnungen wurden jeweils um eine arbeitsrechtliche Richtlinie ergänzt. Deren Ziel war es, bestandsschützende Regelungen für die Systeme der Mitbestimmung zu schaffen. Jede der Richtlinien beruhte auf dem gleichen Mechanismus. Die Modalitäten der Mitbestimmung werden von Arbeitnehmervertretern und Unternehmensleitung ausgehandelt (Verhandlungslösung). Die Verhandlungen finden auf Basis einer Auffangregelung statt. Die soll unter bestimmten Voraussetzungen (Mindestprozentsatz von Arbeitnehmern in einer neuen Gesellschaft, die zuvor Mitbestimmungsrechte hatten, Scheitern der Verhandlungen) die vorhandene Mitbestimmung schützen. Dieses Prinzip wurde später auch auf eine Richtline für grenzüberschreitende Verschmelzungen übertragen.
Nicht zustande kam hingegen (bis heute) eine ebenfalls geplante Sitzverlegungsrichtlinie. Nach Ansicht der meisten Experten hätte sie besondere Herausforderungen für einen Schutz der Mitbestimmungssysteme mit sich gebracht. Zu den bis heute ungelösten Streitfragen zählt unter anderem, ob Verwaltungssitz und Satzungssitz (also der registergerichtliche Sitz) nach einer Sitzverlegung auseinanderfallen dürfen.
Die aktuelle Konsultation der Generaldirektion Justiz und Verbraucher
Die aktuelle (am 6. August) zu Ende gehende Konsultation der zuständigen Generaldirektion Justiz und Verbraucher macht deutlich, dass die EU-Kommission mittlerweile neuen Reformbedarf sieht. Typischerweise dienen derartige Konsultationen dem Sammeln von Anregungen aber auch der Schaffung zusätzlicher politischer Legitimation. Der unverfänglich klingenden Titel „Modernisierung des EU-Gesellschaftsrechts: Regelungen über digitale Lösungen und effiziente grenzüberschreitende Unternehmensaktivitäten“ gibt auf den ersten Blick wenig Aufschluss über die politischen Motive.
Aus Sicht der ULA wäre es jedoch ein Fehlschluss zu glauben, dass es lediglich darum geht, administrative und registergerichtliche Vorgänge ins digitale Zeitalter zu überführen. Dafür sind Fragen, die Kommission stellt, zu komplex und detailliert. Politisch fällt auch auf, dass die Frage der Arbeitnehmerbeteiligung und insbesondere die der Mitbestimmung nur am Rande thematisiert werden. Sicherlich liegt dies zum Teil daran, dass jeder Arbeitsbereich der Kommission bestimmte Sachverhalte durch seine jeweilige fachliche „Brille“ beurteilt. Mitbestimmung als politisches Thema liegt der Generaldirektion Justiz sicherlich ferner als etwa der fachlich eigentlich zuständigen Generaldirektion „Beschäftigung und Soziale Sicherung“.
Trotzdem stimmt die einseitige Sichtweise von Gesellschaftsrecht bedenklich. Sie stellt auch die Glaubwürdigkeit der aktuellen Bemühungen der EU-Kommission in Frage, durch die Etablierung einer „europäischen Säule sozialer Rechte“ für die Euro-Zone das soziale Profil der EU-zu schärfen.
Position von CEC und ULA
Aus Sicht von CEC und ULA sind Arbeitnehmerbeteiligung und Mitbestimmung ein zentrales Element eines europäischen Sozialmodells. Sie sollten daher von Anfang an mit bedacht werden, wenn weitere Reformen des europäischen Gesellschafsrechts konzipiert werden. Aus ihrer Sicht bedarf es daher eines Katalogs von verbindlichen Mindeststandards für die Arbeitnehmerbeteiligung der für alle auf europäischer Ebene konzipierten Gesellschaftsrechtsformen eine verlässliche Auffanglösung sicherstellt.
Dies ist das Grundanliegen, das sich als roter Faden durch die Stellungnahme der CEC zieht, die von der ULA maßgeblich mit beeinflusst wurde.
In der Frage einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung, die in der Konsultation ebenfalls thematisiert wird, sprechen sich CEC und ULA dafür aus, am Prinzip der „Sitzeinheit“ festzuhalten. Die gezielte Wahl ausländischer Rechtsformen – sei es aus steuerlichen Gründen, sei es mit dem Ziel, Mitbestimmung zu vermeiden oder zu begrenzen – war bislang in Deutschland nur in wenigen Fällen zu beobachten. Ihr Beitrag zu der langsamen aber stetigen „Erosion“ bei der Zahl der mitbestimmten Unternehmen war bis heute also begrenzt. Ein neuer rechtlicher Rahmen in Form einer europäischen Rechtsverordnung (schlimmstenfalls ohne wirksame Richtlinie mit Verfahrens- und Bestandsschutzregelungen zur Mitbestimmung) könnte diesen Prozess aber beschleunigen.
Daher treten ULA und CEC dafür ein, dass ein Auseinanderfallen von Verwaltungssitz und registergerichtlichem Sitz im europäischen Gesellschaftsrecht auch in Zukunft ausgeschlossen bleibt.
Text der Stellungnahme der CEC
Text der Stellungnahme der ULA