Rechtstipp: Wann ist eine Kündigungsfrist zu lang?
Wird die Kündigungsfrist eines Arbeitnehmers wesentlich über die Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist hinaus verlängert, kann darin eine unangemessene Benachteiligung für den Arbeitnehmer liegen, obwohl die gleiche Frist für Kündigungen des Arbeitgebers gilt. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Ein Arbeitnehmer war seit 2009 bei seinem Arbeitgeber als Speditionskaufmann in einer 45-Stunden-Woche gegen eine Vergütung von 1.400 Euro brutto beschäftigt gewesen. Im Juni 2012 unterzeichneten Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Zusatzvereinbarung, die eine Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende und eine Anhebung des monatlichen Bruttogehaltes auf 2.400 Euro vorsah. Das Entgelt sollte bis zum 31. Mai 2015 nicht erhöht werden und bei einer späteren Neufestsetzung wieder mindestens zwei Jahre unverändert bleiben.
Nachdem ein Kollege des Arbeitnehmers festgestellt hatte, dass auf den Computern der Mitarbeiter im Hintergrund ein zur Überwachung des Arbeitsverhaltens geeignetes Programm installiert war, kündigten der Arbeitnehmer und fünf seiner Kollegen am 27. Dezember 2014 ihre Arbeitsverhältnisse zum 31. Januar 2015. Das Unternehmen versuchte vor dem Arbeitsgericht die Feststellung einzuklagen, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Dezember 2017 fortbesteht. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab.
Nun hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die lange Kündigungsfrist den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligte und deshalb unwirksam war (Urteil vom 26. Oktober 2017, Aktenzeichen: 6 AZR 158/16).
Eine wesentliche Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist müsse unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls darauf geprüft werden, ob sie für den Arbeitnehmer eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt.
Trotz der beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist sah das BAG in diesem Fall eine solche unausgewogene Gestaltung der Vertragsbedingungen. Der Nachteil für den Arbeitnehmer sei auch nicht nicht durch die vorgesehene Gehaltserhöhung aufgewogen worden, zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau langfristig einfror.
Praxistipp des ULA-Mitgliedsverbands VAA
Grundsätzlich gilt: Lange Kündigungsfristen können zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden, wenn sie für beide Seiten gelten. Die Entscheidung des BAG zeigt allerdings, dass für diesen Grundsatz Ausnahmen zugunsten der Arbeitnehmer gelten können, wenn diese andernfalls unangemessen benachteiligt werden.
(Quelle: VAA-Newsletter, November 2017)