BAG: Befristungen bei älteren Arbeitnehmern können unwirksam sein

Sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverträgen im Rahmen von speziell vereinbarten Altersgrenzenregelungen können unzulässig sein, wenn Arbeitnehmer zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens noch nicht das gesetzliche Rentenalter erreicht haben. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) festgestellt.

Im konkreten Fall war eine 1953 geborene Arbeitnehmerin bei einem Unternehmen und dessen Vorläufern seit 1987 durchgängig beschäftigt, zuletzt als Abteilungsleiterin. Dem ursprünglichen Arbeitsvertrag zufolge sollte das Arbeitsverhältnis spätestens mit Ablauf des Monats enden, in dem die Arbeitnehmerin das 65. Lebensjahr vollendet. 2003 stellte der Arbeitgeber die betriebliche Altersversorgung für sogenannte leitende Führungskräfte um. Das Versorgungssystem sah vor, dass der Versorgungsbeitrag in Form von Kapitalbausteinen auf einem Versorgungskonto dokumentiert und im Versorgungsfall in verschiedenen Formen ausbezahlt werden kann. Zugleich konnten die Beschäftigten einen Anspruch auf das Versorgungsguthaben als vorzeitige Altersleistung erwerben, wenn das Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 60. Lebensjahres, aber vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze endete.

In der Folge bot das Unternehmen neu eingestellten und ernannten leitenden Führungskräften grundsätzlich nur noch auf das 60. Lebensjahr befristete Arbeitsverträge an. Den bis dahin unbefristet beschäftigten Leitenden bot der Arbeitgeber an, mit Vollendung des 60. Lebensjahres auf der Grundlage eines speziellen „Konzepts 60+“ auszuscheiden. Die Änderungsvereinbarung enthielt unter anderem eine einmalige Kapitalzahlung zur Überbrückung der Zeit bis zum Renteneintritt. Die Leitenden wurden Ende 2002 schriftlich über die bestehenden Programme informiert. Im Dezember 2005 unterschrieb die betreffende Arbeitnehmerin das Angebot.

Acht Jahre später, nachdem das Arbeitsverhältnis gemäß der neuen Befristung endete, hat die Arbeitnehmerin Klage erhoben. Ihrer Auffassung nach war die in der Änderungsvereinbarung enthaltene Befristung unwirksam. So sei die im ursprünglichen Arbeitsvertrag vereinbarte Regelaltersgrenze von 65. Jahren nicht wirksam durch das „Konzept 60+“ abgeändert worden. Es sei unklar, welche Altersgrenze gelte. Hinzu komme, dass der Betriebsrat nicht an der Ausarbeitung der Änderungsvereinbarung beteiligt gewesen sei. Auch liege ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen Alters gemäß § 7 Absatz 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor.

Die Klage auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen ist von den zuständigen Arbeitsgerichten in den Vorinstanzen jeweils abgewiesen worden. In der Revision folgte das Bundesarbeitsgericht jedoch weitgehend der Argumentation der Klägerin. Es hob die vorherigen Entscheidungen der Arbeitsgerichte auf und gab der Befristungskontrollklage statt: Das Arbeitsverhältnis ist durch die im Änderungsvertrag vereinbarte Befristung nicht beendet worden.

Langfristig angelegter Änderungsvertrag kein Aufhebungsvertrag

Nach Meinung der Erfurter Richter stellt der Änderungsvertrag keinen Aufhebungsvertrag dar, da er nicht auf die möglichst frühzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgelegt gewesen sei. Immerhin war die Arbeitnehmerin noch acht Jahre beim Unternehmen angestellt. Laut BAG war der Änderungsvertrag samt Befristung zudem nicht auf den Wunsch der Arbeitnehmerin, sondern den des Unternehmens zurückzuführen. Auch die lange Bedenkzeit von über zwei Jahren, die der Klägerin eingeräumt wurde, ändere nichts daran, dass die Befristung in erster Linie im Interesse des Unternehmens lag, um Planungssicherheit für die Umsetzung des „Konzepts 60+“ zu erhalten. Allein aus dem durch die Unterschrift dokumentierten Einverständnis mit dem befristeten Vertragsschluss könne nicht auf einen entsprechenden Wunsch geschlossen werden, der eine zeitlich begrenzte Beschäftigung sachlich rechtfertigt: Die zwingenden Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes stehen dem entgegen.

Praxistipp

In ihrem Urteil (Aktenzeichen: 7 AZR 236/15) haben die obersten Arbeitsrichter klargestellt, dass die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenzenregelung nur dann möglichist, wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt die gesetzliche Altersrente beziehen kann. Diese kann nicht durch eine Ausgleichszahlung des Arbeitgebers oder durch Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ersetzt werden. Personen aus ULA-Verbänden mit juristischem Service, die von Befristungen betroffen sind oder an speziellen Programmen zur Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer in ihren jeweiligen Unternehmen teilnehmen, sollten sich im Zweifel an den Juristischen Service Ihres Verbandes wenden.

(Quelle: VAA-Newsletter)