BAG bestätigt: keine Lohnfortzahlung bei neuer Erkrankung
Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist auch dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Diesen sogenannten Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil bestätigt. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht demnach nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, zu dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führte.
Eine Arbeitnehmerin war infolge eines psychischen Leidens für längere Zeit arbeitsunfähig geworden. In den ersten sechs Wochen leistete ihr Arbeitgeber Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, im Anschluss bezog die Arbeitnehmerin auf der Grundlage von Folgebescheinigungen ihrer Hausärzte Krankengeld. Am letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit stellte ihr ein anderer Arzt wegen einer für den nächsten Tag geplanten Operation eine neue Krankschreibung aus. Diese dauerte rund sechs Wochen, in denen die Arbeitnehmerin weder Geld vom Arbeitgeber noch Krankengeld einer Krankenkasse erhielt. Sie klagte vor dem Arbeitsgericht gegen den Arbeitgeber, weil dieser aus ihrer Sicht für die zweite Phase der Arbeitsunfähigkeit zu einer erneuten Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet gewesen wäre. Die Arbeitnehmerin verwies darauf, dass ihre Arbeitsunfähigkeit wegen ihrer psychischen Erkrankung am 18. Mai 2017 geendet habe und sie ab dem 19. Mai 2017 wegen eines neuen Leidens arbeitsunfähig gewesen sei. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht lehnten die Klage ab. Im Dezember 2019 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Rechtsauffassung der Vorinstanzen bestätigt (Urteil vom 11. Dezember 2019, Aktenzeichen 5 AZR 505/18).
Die BAG-Richter stellten klar, dass ein Arbeitnehmer, der krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist und bei dem sich in engem zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit anschließt, im Streitfall beweisen muss, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung geendet hatte. Im vorliegenden Fall konnte bei der Vernehmung der behandelnden Ärzte der Arbeitnehmerin vor dem Landesarbeitsgericht jedoch nicht festgestellt werden, dass kein einheitlicher Verhinderungsfall vorlag. Dies gelte umso mehr, weil die Beweisaufnahme ergab, dass die Arbeitnehmerin bei der Feststellung der ersten Arbeitsunfähigkeitsphase durch den behandelnden Arzt gar nicht untersucht worden war.
VAA-Praxistipp
Arbeitnehmer, bei denen mehrere längerfristige Arbeitsunfähigkeitsphasen absehbar sind, sollten sich gründlich mit den Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vertraut machen. Andernfalls können empfindliche finanzielle Einschnitte drohen.