BAG: Unterschiede bei Vergütung lassen Diskriminierung vermuten
Wird im Rahmen einer Auskunft nach dem Entgelttransparenzgesetz vom Arbeitgeber mitgeteilt, dass eine Arbeitnehmerin ein geringeres Entgelt erhält als eine männliche Vergleichsperson, begründet dies die Vermutung einer Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts. Diese Vermutung zu widerlegen obliegt dem Arbeitgeber, so das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung im Januar 2021.
Eine als Abteilungsleiterin beschäftigte Arbeitnehmerin hatte von ihrem Arbeitgeber eine Auskunft nach dem Entgelttransparenzgesetz erhalten. Daraus ging hervor, dass sowohl beim Grundentgelt als auch bei der Zulage das Vergleichsentgelt des männlichen Kollegen über dem Entgelt der Arbeitnehmerin lag. Mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht verlangte sie die Zahlung der Differenz zwischen ihrem Entgelt und dem Vergleichsentgelt. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das Landesarbeitsgericht (LAG) lehnte sie hingegen auf die Berufung des Arbeitgebers hin ab. Aus Sicht des LAG lagen keine ausreichenden Indizien im Sinne des § 22 des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), um die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts zu begründen.
Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) war die Arbeitnehmerin mit ihrer Revision gegen das Urteil des LAG erfolgreich (Urteil vom 21. Januar 2021, Aktenzeichen: 8 AZR 488/19). Die BAG-Richter entschieden, dass die Arbeitnehmerin gegenüber der männlichen Vergleichsperson aus der Entgelttransparenz-Auskunft des Arbeitgebers eine unmittelbare Benachteiligung erfahren hat, weil ihr Entgelt geringer war. Dadurch werde – anders als vom LAG angenommen – zugleich die Vermutung begründet, dass die Arbeitnehmerin eine Entgeltbenachteiligung „wegen des Geschlechts“ erfahren hat.
Den Arbeitgeber treffe die die Darlegungs- und Beweislast, diese Vermutung entsprechend den Vorgaben des AGG zu widerlegen. Da aufgrund der durch die Vorinstanzen getroffenen Feststellungen durch das BAG nicht entschieden werden konnte, ob der Arbeitgeber dieser Darlegungs- und Beweislast bereits entsprochen hatte, wurde das Urteil aufgehoben und der Fall wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.
VAA-Praxistipp
Nach dem Entgelttransparenzgesetz können Beschäftigte seit 2018 Auskunft über das sogenannte Vergleichsentgelt verlangen. Dafür wird der Median der Vergütung vergleichbarer Beschäftigter des anderen Geschlechts herangezogen. Mit seinem Urteil hat das BAG nun klargestellt, dass schon ein höheres Vergleichsentgelt allein die Vermutung einer geschlechtsbezogenen und somit diskriminierenden Differenz bei der Vergütung begründen kann, die der Arbeitgeber dann widerlegen muss. Die Chancen, erfolgreich auf gleiche Bezahlung für eine gleichwertige Tätigkeit und gegebenenfalls auch auf Schadensersatz nach dem AGG zu klagen, sind durch das Urteil gestiegen.