Digitalisierung: VAA bezieht Position
Als Akademikergewerkschaft und Deutschlands größter Führungskräfteverband ist der VAA schon immer ein wichtiger gesellschaftlicher Akteur gewesen. Doch um seine Durchschlagskraft langfristig auszubauen, muss der Verband noch deutlicher als bisher Stellung zu zentralen Zukunftsthemen beziehen. Deshalb hat der Führungskreis des Verbandes die VAA-Positionen überarbeitet und präzisiert: von der Arbeitszeit und den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt über das Entgelt bis hin zum lebensphasenorientierten Arbeiten und zum mobilen Arbeiten. Im Interview mit dem VAA Newsletter erläutert Stefan Ladeburg, Leiter des Berliner Büros und Digitalisierungsexperte des VAA, warum und wie sich der Verband zum Thema Digitalisierung positioniert.
VAA Newsletter: Das Thema Digitalisierung ist in der öffentlichen Diskussion in der letzten Zeit bereits von vielen Seiten beleuchtet worden. Braucht der VAA überhaupt eine eigene Positionierung dazu?
Ladeburg: Das denke ich schon, denn die Digitalisierung verändert zunehmend die Arbeitswelt und der VAA vertritt die Interessen von Arbeitnehmern. Wir müssen uns daran beteiligen, die neuen Perspektiven für die Arbeitsplätze in der chemischen Industrie zu gestalten. Und dafür müssen wir unseren Blick auf das Thema schärfen.
VAA Newsletter: Wird die Digitalisierung denn im Arbeitsbereich von Führungs- und Fachkräften in der Chemie überhaupt so tiefgreifende Änderungen mit sich bringen? In der Prozessindustrie ist das Digitalisierungspotenzial doch sicherlich viel begrenzter als zum Beispiel im Automobilbau.
Ladeburg: Das mag sein, aber die Digitalisierung von Arbeitsprozessen wird auch unsere Branche massiv verändern. Es wird immer Dinge geben, die Menschen besser können als Maschinen, aber man darf sich auch keine Illusionen über die Grenzen der Künstlichen Intelligenz machen. Durch die Anwendung von modernen Algorithmen, die hinter Konzepten wie Neuronalen Netzen, Deep Learning oder Big Data stehen, können auch komplexe Tätigkeiten durch Computer unterstützt oder sogar vollständig übernommen werden. In der Chemie- und Pharmaforschung nimmt beispielsweise der Anteil der Innovationen, die mithilfe computergestützter Verfahren generiert werden, stetig zu.
VAA Newsletter: Heißt das aus Ihrer Sicht, dass Arbeitsplätze wegfallen werden?
Ladeburg: Es wird in fast allen Lebens- und Arbeitsbereichen zu tiefgreifenden Veränderungen kommen. Ob und wie viele Arbeitsplätze wegfallen, ist schwer zu beurteilen. Aber bestimmte Aufgaben und Tätigkeiten werden sich verändern oder entfallen, dafür werden neue entstehen. Und deshalb ist es wichtig, dass sich auch die Fach- und Führungskräfte an der Ausgestaltung dieses Wandels beteiligen.
VAA Newsletter: Was können der VAA und seine Mitglieder dafür tun?
Ladeburg: Durch die digitale Transformation werden Qualifikation und Bildung noch wichtiger werden. Arbeitnehmer werden bei den sich stetig verändernden Arbeitsbedingungen dieser Arbeitswelt ihre Beschäftigungsfähigkeit über ein langes Erwerbsleben nur erhalten können, wenn ihre Qualifikationen mit dem hohen Veränderungstempo Schritt halten. Es wird eine zentrale Aufgabe für den VAA und seine Mandatsträger in ihrer Rolle als Vertreter von Arbeitnehmerinteressen sein, einerseits Fach- und Führungskräfte an diese Notwendigkeit zu erinnern, andererseits aber auch die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, ihren Teil der Verantwortung für die Qualifikation der Mitarbeiter zu tragen. Und: Nicht jede Tätigkeit, die digitalisiert werden kann, muss auch digitalisiert werden. Das ist kein Automatismus. Wir wollen gemeinsam mit den Chemie-Sozialpartnern daran arbeiten, die Arbeitnehmer bei der Digitalisierung mitzunehmen.
VAA Newsletter: Wird die Digitalisierung die Rolle der Führungskräfte in den Unternehmen verändern?
Ladeburg: Auf die Führungskräfte kommen auch neue Herausforderungen zu: Durch die mit der Digitalisierung verbundene Dezentralisierung der Arbeit müssen sie damit umgehen, dass ihre Mitarbeiter immer seltener zur selben Zeit am selben Ort arbeiten werden. Damit ist es kaum noch möglich, Mitarbeiter durch Einzelanweisungen eng zu führen und den Beitrag einzelner in einer Teamaufgabe zu bewerten. Darum wird es künftig noch stärker auf die Motivationsfähigkeit der Führungskräfte ankommen.
Stefan Ladeburg ist Geschäftsführer und Leiter des Berliner VAA-Büros.