Geldanlage: Negativzinsen – was nun?
Die meisten Menschen beschäftigen sich nicht gern mit Finanzfragen. Auch wenn vorausschauender Finanzplanung allgemein eine hohe Bedeutung zugemessen wird, führt das nicht automatisch zum Handeln. Das Geld sammelt sich dann eher zufällig auf Girokonten und Tagesgeldern, obwohl es dort schon lange so gut wie keine Zinsen gibt. Das Ersparte verliert tatsächlich inflationsbedingt stetig an Wert. Aber jetzt kommt es noch schlimmer: Immer mehr Banken gehen dazu über, Zinsen für „geparkte“ Gelder zu verlangen statt zu zahlen. Marion Lamberty von der FVP Gesellschaft für Finanz- und Vermögensmanagement erläutert in ihrem Gastbeitrag erste Schritte aus der Strafzinsfalle, die gleichzeitig dem Aufbau einer eigenen Anlagestrategie dienen.
Vorab der Rat: Durch die Androhung von negativen Zinsen sollte man sich nicht unter Druck setzen lassen. Selbstverständlich muss man jetzt aktiv werden und zeitnah Alternativen für die Geldanlage suchen. Aber in der Regel ist es trotz Negativzins deutlich günstiger, ein paar Wochen für die Planung einer eigenen Anlagestrategie zu nutzen, als einfach ungeprüft das aufgelaufene Geld in die von der Bank bei der Androhung der Negativzinsen angebotenen Produkte umzuschichten.
Drei Schritte zur eigenen Anlagestrategie
Jeder sollte sich in einem ersten Schritt über sein Sparziel und die geplante Anlagedauer klar werden. Erst dann kann eine Anlagestrategie entwickelt werden, die zum eigenen Bedarf passt. Die zur Auswahl stehenden Anlagemöglichkeiten unterscheiden sich hinsichtlich Sicherheit, Handelbarkeit und Rendite – drei Anlagekriterien, die miteinander konkurrieren. Höhere Renditen sind nur mit höheren Risiken erreichbar. Ein Anleger sollte beispielsweise bei einer aktienorientierten Anlage ausreichend Zeit haben, um nicht ausgerechnet im Moment eines kurzfristigen Kurseinbruchs verkaufen zu müssen.
Der zweite Schritt ist eine ehrliche Abschätzung der persönlichen Risikotragfähigkeit und der Risikoneigung. Erstere ist anhand objektiver Kriterien messbar. Muss das anzulegende Geld die Existenz sichern oder können auch höhere Risiken eingegangen werden, um mehr Rendite zu erzielen? Diese Antwort lässt sich aus dem Vermögen abzüglich der Verbindlichkeiten sowie den monatlichen Einnahmen minus Ausgaben ermitteln. Die Risikoneigung ist dagegen subjektiv. Nicht jeder möchte an der Börse mitfiebern. Wem die Verlustangst schlaflose Nächte bereitet, sollte lieber eine defensivere Anlagestrategie wählen.
Die dritte Regel, die Anleger stets beachten sollten: „Lege nicht alle Eier in einen Korb.“ Um Ersparnisse wirkungsvoll zu schützen, sollten Sparer nicht nur auf eine Region wie zum Beispiel Deutschland setzen, sondern das Geld idealerweise weltweit und über verschiedene Anlageklassen und Anlagestile streuen. Dazu noch der Hinweis: Der Kauf vergünstigt angebotener Mitarbeiteraktien ist zwar in der Regel sehr lukrativ, doch am Ende der jeweiligen Haltefrist sollte immer abgeschätzt werden, ob nicht inzwischen ein zu großer Teil des Vermögens in einem einzigen Titel investiert ist und entsprechend die handelbar gewordenen Mitarbeiteraktien verkauft werden sollten.
Herausforderung der Produktauswahl
In der immer noch andauernden Pandemie erreichen Rettungsprogramme von Notenbanken und Regierungen einen ungeahnten Umfang. Sogar das Inflationsziel der Notenbanken wurde aufgeweicht. Eine zweiprozentige Inflation wird nicht mehr unweigerlich eine Zinserhöhung auslösen. Dementsprechend müssen wir uns wohl noch lange mit niedrigen Zinsen abfinden. Fehlende Zinsangebote, aber auch niedrigere Abzinsungsfaktoren erhöhten zudem die Preise vieler Sachwertanlagen. Auch die Kurse mancher Aktien gelten im Hinblick auf zukünftig zu erwartende Unternehmensgewinne als zu hoch bewertet. Die Liquidität ging recht undifferenziert in den Aktienmarkt und oft waren weniger solide Geschäftsmodelle als zukünftige Wachstumsmöglichkeiten das ausschlaggebende Investitionsargument. Inzwischen dominieren einige wenige Technologieaktien die Aktienindizes und immer noch fließt viel Geld in ohnehin schon teure Titel. Dabei schaut der Finanzmarktteilnehmer seit einigen Monaten bereits wieder über die wirtschaftlichen Verwerfungen der Pandemie hinweg. Ein ausgewogen aufgebautes Portfolio sollte die aktuell noch unterbewerteten Branchen und Titel genauso enthalten wie marktneutrale Strategien als Absicherung.
Die Mischung macht’s
Unter Berücksichtigung der eigenen Anlagestrategie und der schwierig gewordenen Produktauswahl gilt es, ein langfristig funktionierendes Anlagemodell zu finden. Wer Negativzinsen entgehen und Aussichten auf eine Rendite erhalten möchte, wird einen Teil seines Ersparten in breit gestreute Investmentfonds mit einer Aktienbeimischung anlegen. Bei der Auswahl der Anlagen und der Aufteilung kann ein guter Berater helfen. Dieser sollte aber möglichst so viel Vertrauen in sein Angebot haben, dass er in die angebotenen Papiere auch selbst investiert. Als konservativer Anleger könnte man damit beginnen, nur den Teil des Ersparten, der mit Negativzins belegt wird, in die Fondsanlage zu geben. Ergänzt werden sollte diese Strategie dann aber um damit verbundene Fondssparpläne, die dafür sorgen, dass die Freigrenze für Negativzinsen nicht nach wenigen Monaten wieder überstiegen wird und die Überlegung zur Produktauswahl von vorn beginnt.
Marion Lamberty ist Geschäftsführende Gesellschafterin der FVP Gesellschaft für Finanz- und Vermögensplanung mbH in Köln.
www.fvp-gmbh.de