Gute Führung: Daniele Bruns und Ralf Heupel im VAA-Interview
Um Stellung zu beziehen, hat der Verband Positionen zu zentralen, für VAA-Mitglieder relevanten Zukunftsthemen erarbeitet: von der Arbeitszeit und den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt über das Entgelt bis hin zu der Frage, was gute Führung ausmacht. An der Entwicklung der Position „Gute Führung“ war die VAA-Kommission Führung maßgeblich beteiligt. Im Interview mit dem VAA Newsletter sprechen Dr. Daniele Bruns, 2. Vorsitzende des VAA und betreuendes Vorstandsmitglied der Kommission, und der Kommissionsvorsitzende Dr. Ralf Heupel über Ehrlichkeit, Zeit für Führung und die Herausforderung, Mitarbeitern die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit zu vermitteln.
VAA Newsletter: Sie sind beide erfahrene Führungskräfte. Welche Eigenschaften braucht eine gute Führungskraft?
Bruns: Mir ist vor allem die Vorbildfunktion wichtig. Man darf nicht von anderen etwas fordern, was man selbst nicht vorlebt. Man muss ehrlich sein und klare Ziele formulieren, dabei aber nicht eins zu eins vorgeben, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Eine gute Führungskraft sollte die Mitarbeiter mitnehmen und zum Denken anregen, sodass sie eigene Ideen entwickeln können. Und sich somit auch den Weg, wie sie ihre Ziele erfüllen, selbst ausdenken und erarbeiten. Um die Leute mitzunehmen, muss man die Sinnhaftigkeit der Arbeit vermitteln. Das läuft heute unter dem englischen Schlagwort „Purpose“. Der Begriff ist im Moment sehr in Mode. Ich bin aber wirklich fest davon überzeugt, dass dieser Aspekt sehr wesentlich ist, damit die Mitarbeiter verstehen, welchen Teil am Unternehmenserfolg sie beisteuern.
Heupel: Der Punkt Wertschätzung gehört aus meiner Sicht unbedingt dazu. Einfach auch mal danke sagen. Das Teilen von Informationen und das Erklären von Entscheidungen halte ich ebenfalls für sehr wichtig. Man sollte seinen Mitarbeitern vertrauen und neben Orientierung auch Freiräume geben. Man muss ansprechbar sein, Zeit für Kollegen und Mitarbeiter haben, um auch einfach mal zuzuhören. Insgesamt finde ich das Motto „mit gutem Beispiel vorangehen“ zeitlos und sehr empfehlenswert. Allerdings können allein diese eigentlich einfachen Dinge in der Gesamtheit durchaus eine Anforderung sein, die in der heutigen Arbeitswelt mitunter schwer zu erreichen ist. Und es gibt noch einiges mehr, das heutigen Führungskräften abverlangt wird.
VAA Newsletter: Vorbildliches und wertschätzendes Verhalten, Ehrlichkeit, sich Zeit nehmen. Solche Dinge kann man gezielt beherzigen, kann man gute Führung also lernen?
Bruns: Ich denke, bis zu einem gewissen Maß muss man das schon mitbringen. Man kann daran feilen und gewisse Methoden stärken. Aber wenn man überhaupt nicht zur Führungskraft geeignet ist, wird man es – so glaube ich – auch nicht lernen. Es sollte sich auch nicht jeder zwingen, unbedingt Führungskraft werden zu wollen, um die Karriereleiter aufzusteigen. Es gibt auch Aufstiege außerhalb einer Linienfunktion, zum Beispiel in der Projektarbeit oder auf anderen Wegen. Wenn man eigentlich gar keine Lust hat, intensiv mit Menschen zusammenzuarbeiten, sie zu führen und anzuleiten, sollte man ehrlich zu sich selbst sein und sagen: Ich möchte lieber einen anderen Weg gehen.
Heupel: Ich sehe das ähnlich wie Daniele Bruns, es gibt sicherlich geborene Führungspersönlichkeiten. Aber man kann und muss Führungskompetenzen auch erlernen – im Laufe der Karriere, immer wieder. Das ist auch schon deshalb angezeigt, weil das Bild der Führungskraft im Lauf der Zeit Veränderungen unterliegt. Fachkompetenzen besitzen sicherlich auch heute noch ihren Stellenwert, aber ergänzt durch Führungskompetenzen, die häufig im kommunikativen Bereich liegen. Weiterbildungs- und Coachingprogramme können da hilfreich sein, aber manche Dinge kann man auch auf einen kurzen Nenner bringen und sie sich regelmäßig in Erinnerung rufen, sei es durch einen Zettel an der Wand oder einen elektronischen Reminder. Um ein einfaches Beispiel zu nennen: „Einfach mal zuhören!“ Das sollte jede Führungskraft beherzigen.
VAA Newsletter: Es wurde bereits vorhin angesprochen, wie wichtig es ist, sich Zeit zu nehmen. Hat man denn als Führungskraft selber dafür die Zeit?
Heupel: Da vertrete ich leidenschaftlich die Einstellung, dass man für dringende und wichtige Dinge einfach Zeit hat. Sich diese Zeit aktiv zu nehmen, ist mitunter im Arbeitsalltag sehr schwierig, weil das Alltagsgeschäft häufig vorgeht. Aber wenn man sich eine gewisse Zeit am Tag oder auch am Ende der Woche reserviert und sagt: Es ist mir jetzt wichtiger als die täglichen operativen Aufgaben, Führung zu leben und für Mitarbeiter Zeit zu haben, dann wird man das auch schaffen. Es sind natürlich auch die Unternehmen gefordert, den Führungskräften Zeit zu geben. Da kommen wir zu den Personalführungssystemen. Dort sollte der Begriff Führung erscheinen. Dass im Rahmen der Zielerreichung auch Zeit für Führung eingeräumt wird und es auch entsprechend bewertet und honoriert wird, wie man als Führungskraft Führung lebt. Denn eine auf gute Führung ausgerichtete Unternehmenskultur ist heutzutage absolute Pflicht.
Bruns: Das ist eine Frage der Priorisierung, da bin ich bei Dir. Eine Führungskraft muss in der Lage sein, über ihr Zeitkontingent selbst zu bestimmen, zu priorisieren und sich die Zeit zu nehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in irgendeinem Unternehmen von oben heruntergesagt wird: Du redest zu viel mit deinen Mitarbeitern. Ich denke da an die Arbeitszeitdiskussionen, die wir zum Teil mit den Leitenden führen. Wer wirklich leitender Angestellter sein will, muss in der Lage sein, sich die Arbeitszeit so einzuteilen, wie es erforderlich ist.
Die VAA-Position „Gute Führung“ ist unter vaa.de/verband/positionen/gute-fuehrung zu finden. Eine ausführliche Fassung des Interviews steht eingeloggten VAA-Mitgliedern auf der Mitgliederplattform MeinVAA zur Verfügung.