Pro & Contra: Industriestrom – Wie bauen wir die Brücke?
In Deutschland ist Strom so teuer wie nie zuvor. Die hohen Preise stellen energieintensive Unternehmen vor große Herausforderungen, da sie den internationalen Standortwettbewerb verschärfen und Investitionen in treibhausgasneutrale Technologien verhindern. Hierzu haben die ULA Nachrichten zwei Köpfe aus der Politik um ihre Einschätzung gebeten, wie in der aktuellen Situation eine den Industriestandort erhaltende und Arbeitsplätze sichernde Lösung aussehen kann.
Dr. Lukas Köhler MdB ist Stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion Grüne und SPD schlagen vor, einen subventionierten Industriestrompreis für manche Branchen einzuführen. Die Ratio: Strom ist in Deutschland vorübergehend zu teuer, was die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Bis die Energiewende ihn billig macht, braucht es eine Brücke. Wir Liberale lehnen diese Idee ab. Wieso? Zunächst ist die Prämisse falsch: Ein Industriestrompreis verlangsamt nämlich die Energiewende. Er bedeutet weniger Effizienz und Anreize für den Zubau preisdämpfender Erneuerbarer Energien in Eigenregie oder über Direktlieferverträge. Eine Brücke ist nur so stark wie das Fundament, auf dem sie steht. Hinzu kommt, dass die Kosten der Stromversorgung durch höhere Nachfrage und geringere Flexibilität der subventionierten Industrie für alle Verbraucher steigen. Auch ist ein solcher Preis inhärent unfair: Alle, die nicht in seinen Genuss kommen, zahlen die enormen Kosten über ihre Steuern und müssen unter Umständen sogar noch empfindliche Wettbewerbsnachteile fürchten. Die FDP schlägt daher vor, die Stromsteuer so weit wie möglich zu reduzieren sowie den Spitzenausgleich zu verlängern. Außerdem wollen wir mit dem „Eigenstrom-PPA“ ein spezielles Instrument schaffen, mit dem Industriebetriebe einen Direktliefervertrag mit einem Erneuerbaren-Anlagenbetreiber abschließen können. Der Strombezug wird dabei wie selbst erzeugter und verbrauchter Strom behandelt, sodass die gängigen Steuern, Abgaben und Umlagen entfallen. Dadurch wollen wir allen Unternehmen Zugang zu günstigem Grünstrom verschaffen – und so nicht zuletzt die Energiewende beschleunigen, statt sie auszubremsen. Ergänzend müssen wir den Wirtschaftsstandort Deutschland durch weniger Steuern und Bürokratie stärken. Unsere Vorschläge dazu liegen vor. |
Dr. Ingrid Nestle MdB, Bündnis 90/Die Grünen ist Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie Das Problem mit den hohen Energiepreisen ist auf unsere starke Abhängigkeit vom fossilen Gas zurückzuführen. Putins Lieferstopp hat die Preise rasant nach oben getrieben. Hier kann der Brückenstrompreis befristet Abhilfe schaffen. Die wirtschaftlich beste Lösung für die Energieversorgung der Industrie ist erneuerbarer Strom, der inzwischen viel günstiger ist als fossiler oder Atomstrom. Aber er ist noch nicht genügend vorhanden. Deshalb brauchen wir den Industriestrompreis als Brücke, bis der bezahlbare erneuerbare Strom ausreichend verfügbar ist. Wir fördern nicht einfach alte Industrien, sondern den Übergang zur Lösung, zum wichtigsten Energieträger der Zukunft. Hinzu kommt: Wir wollen die Grundstoffindustrie in Europa halten. Abhängigkeiten wie beim russischen Gas sollten wir nicht wiederholen. Die Grundstoffindustrie ist das Fundament für viele Teile der Wirtschaft und für die Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Gütern. Sicherheit hat ihren Preis. Das Konzept von Minister Habeck ist sehr intelligent, erhält Anreize für Energieeffizienz, Anreize zeitlich flexibel auf die Verfügbarkeit von Wind und Sonne zu reagieren und für den Einstieg in eigene Erneuerbaren-Projekte. Es unterscheidet nicht zwischen großen und kleinen Unternehmen, sondern nur zwischen Branchen. Die kleinen und mittleren Unternehmen haben wir in der Ampel als allererstes unterstützt: durch die Abschaffung der EEG-Umlage und bessere Möglichkeiten, ihren Strom selbst zu erzeugen. Ich begrüße, dass Minister Lindner den von ihm selbst gestrichenen Spitzenausgleich wieder einführen möchte. Aber das ist kein Ersatz für eine wirklich zielgerichtete Unterstützung. |