Interview mit Paulina Bilinska: Jung führt Alt – Konflikt programmiert?
Wenn eine junge Führungskraft ein Team mit älteren Mitarbeitern führen soll, kann es zu Konflikten kommen. Schon seit Jahren setzt sich der ULA-Arbeitskreis Führungsfragen mit diesem Thema auseinander. Im Interview mit den ULA Nachrichten erläutert nun Diplom-Psychologin Paulina Bilinska vom Beratungsunternehmen Obermann Consulting, welche Faktoren konfliktfördernd wirken können und welche Rolle altersbedingte Vorurteile aufseiten von Führungskräften und Mitarbeitern dabei spielen.
ULA-Nachrichten: Welche Faktoren begünstigen Konflikte zwischen jüngeren Führungskräften und älteren Mitarbeitern?
Bilinska: Es gibt hier keine einfache Antwort. Die Forschungsergebnisse deuten auf ein differenziertes Feld von Einflussfaktoren auf unterschiedlichen Ebenen. Während meiner Forschungsarbeiten habe ich zwei Lager kennengelernt: Das eine Lager bestreitet ganz und gar die Existenz möglicher Konflikte aufgrund von Altersunterschieden. Das andere Lager hingegen nimmt diese Konflikte sehr wohl wahr, dazu zählen eben häufig auch jüngere Führungskräfte und solche, die sie begleiten und betreuen. Im Rahmen einer qualitativen Interviewstudie zu diesem Thema [Anmerkung der Redaktion: Bilinska, Grellert & Wegge, 2014] sprach ich mit jüngeren Führungskräften bis 30 und älteren Führungskräften ab 45 – alle hatten bereits einige Jahre Führungserfahrung. Ich habe sie beispielsweise zu Widerständen Ihnen gegenüber befragt, aberauch zu Vorurteilen, die sie selbst gegenüber älteren Mitarbeitern hegen. Die Ergebnisse zeigten, dass jüngere Führungskräfte mehr Vorurteile gegenüber ihren älteren Mitarbeitern pflegen und auch häufiger Konflikte mit älteren Mitarbeitern haben als ältere Führungskräfte. Im Rahmen einer zweiten Studie hat mich vor allem interessiert, woran dies liegen könnte. Hierzu habe ich Mitarbeiter hinsichtlich führungsrelevanter Attribute befragt – anonym und schriftlich. Konkret sollten Mitarbeiter einschätzen, ob Sie eher jüngere oder eher ältere Personen mit einer bestimmten führungsrelevanten Eigenschaft verbinden. In der Psychologie nutzt man dazu ein sogenanntes semantisches Differenzial. Hier zeigte sich interessanterweise, dass Mitarbeiter führungsrelevante Attribute eher älteren als jüngeren Führungskräften zusprachen. Zwar zeigte sich auch ein genereller Effekt, aber besonders interessant ist, dass manche Personen diesen „Stereotyp“ stärker vertreten als andere. Bislang haben sich die meisten Studien nur mit den Mitarbeitern und den negativen Auswirkungen auf die Mitarbeiter befasst. Da wurden eigentlich nur schwache Effekte gefunden. Diese neuen Ergebnisse geben nun neuen Aufschluss.
ULA-Nachrichten: Inwiefern?
Bilinska: Auf der Seite der Mitarbeiter spielen individuelle Vorurteile und Stereotype eine zentrale Rolle. Die Norm besagt: Führungskräfte sollten älter sein. Wir konnten zeigen, dass ältere Führungskräfte von manchen Mitarbeitern pauschal als geeigneter angesehen werden. Es lohnt sich also, an diesen individuellen Einstellungen zu arbeiten. Eine weitere wichtige Rolle spielt das Führungsverhalten im Umgang mit den Mitarbeitern. Aber auch das Unternehmen kann etwas dazu beitragen. Hier ist die Organisationskultur und das Organisationsklima ausschlaggebend: Ist es üblich, im Unternehmen auf jüngere Führungskräfte zu vertrauen oder nicht? Entsprechend wirkt sich das auf die Vorurteile älterer Mitarbeiter gegenüber jüngeren Führungskräften aus.
ULA-Nachrichten: Gibt es bestimmte Stolpersteine für jüngere Führungskräfte?
Bilinska: Es gibt gewisse Dos-and-Don’ts, die sich hieraus ableiten lassen. Eine große Gefahr ist die offensichtliche Ungleichbehandlung zugunsten einer persönlichen Beziehung. Tatsächlich neigen Menschen dazu, sich mit ihren Altersgenossen schneller und besser zu verstehen. Vom Duzen bis hin zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten sind die Hemmschwellen zwischen Gleichaltrigen geringer als zwischen Jüngeren und Älteren. Dies führt unbewusst zur altersbedingten Separation und Segregation innerhalb des Mitarbeiterteams. Man sollte als jüngere Führungskraft einer unbewussten Bevorzugung jüngerer Mitarbeiter entgegenwirken. Es ist klar: Wer sich besser untereinander versteht, spricht mehr miteinander.
ULA-Nachrichten: Was können Mitarbeiter tun, um Vorurteile abzubauen?
Bilinska: Das Problem mit Vorurteilen ist, dass sie mittlerweile auch in Workshops oder Umfragen kaum mehr offen von den Mitarbeitern geäußert werden – Vorurteile und Stereotype sind sozial unerwünscht. Ähnlich wie mit Frauen in Führungspositionen traut sich kaum jemand, Vorbehalte explizit zu äußern. Unterschwellig sieht es oft anders aus. Man kann das nicht unbedingt direkt abfragen. Wir gehen davon aus, dass die Altersfrage bei Führungskräften eine Norm ist. Daher hat sich unsere Studie auch mit normverletzenden Altersunterschieden beschäftigt. In unserer Gesellschaft sind Führungskräfte tendenziell älter als ihre Mitarbeiter. Dies ist auch psychologisch verankert bei den Mitarbeitern – explizit oder implizit.
ULA-Nachrichten: Man kann Vorurteile also auch abbauen?
Bilinska: Genau. Wir haben auch eine Vorurteilsskala dazu erstellt, in der wir die Akzeptanz für jüngere Führungskräfte abgefragt haben. Am Ende kam heraus, dass es altersrelevante Unterschiede gibt. Mitarbeiter schätzen ältere Führungskräfte generell als etwas kompetenter ein als jüngere. Die Befragten empfanden sie als stressresistenter und am Ende auch als erfolgreicher. Diese Vorurteile muss man verbalisieren und visualisieren, um dagegen vorgehen zu können. Dazu gehört dann auch, herauszufinden, welche Vorurteile einfach nur Vorurteile sind, ohne zu stimmen, und welche zutreffend sind.
ULA-Nachrichten: Können Sie dafür Beispiele nennen?
Bilinska: Natürlich. Beispielsweise gibt es ein Vorurteil, dass ältere Mitarbeiter eine geringere Arbeitsleistung zeigen als jüngere. Dieses Vorurteil stimmt einfach nicht. Auf der anderen Seite stimmt das Vorurteil, dass Ältere weniger in die Weiterentwicklung ihrer Karriere investieren und seltener an Trainingsprogrammen teilnehmen. Innerhalb eines Teams sollte klar kommuniziert werden, welche Erwartungen an die Führungskraft gestellt werden. Dann sollten Mitarbeiter gleichermaßen reflektieren, wie sie selbst die Führungskraft unterstützen können. Vonseiten der Mitarbeiter könnten gerade erfahrene Mitarbeiter als Mentor fungieren, die beim Verständnis der internen Zusammenhänge im Team helfen.
Paulina Bilinska ist Diplom-Psychologin mit dem Schwer punkt Arbeits- und Organisationspsychologie. Neben ihrer Tätigkeit als Trainerin in der Führungskräfteentwicklung hat Bilinska zum Thema „Alternsgerechte Führung“ promoviert und arbeitet seit 2014 bei Obermann Consulting im Bereich Auswahlprozesse und Personalentwicklung.