Kommentar: Probleme wachsen
Susanne Schebel, ULA-Vizepräsidentin
Gute Wünsche zum neuen Jahr werden auch die Mitglieder unserer Bundesregierung erreicht haben. Und dieser Regierung kann man angesichts der Krisen, Kriege und selbstverschuldeten Probleme im Interesse des Landes tatsächlich nur eine glücklichere Hand wünschen. Denn trotz mancher Lösungen, die von der Ampel im Streit um den Bundeshaushalt im letzten Jahr nach wochenlangem Ringen gefunden wurden, scheinen die Herausforderungen im neuen Jahr mit Streit, Streiks und der Unfähigkeit, tragfähige Lösungen und Kompromisse zu finden, noch zu wachsen. Die deutsche Wirtschaft schrumpft, die Exportaussichten sind unsicher, die Arbeitslosigkeit wird steigen, die Deindustrialisierung schreitet voran und im internationalen Vergleich steht Deutschland auf vielen Gebieten wie Infrastruktur und Bildung schlecht da. Fairerweise gilt: Ein nicht unerheblicher Teil dieser Herausforderungen wurde von vorhergehenden Regierungen mitverursacht.
Deutschlands Nachbarn Frankreich und Polen machen sich nicht nur Sorgen über unsere schieflaufende Energiepolitik, sondern auch über die aktuelle Konjunkturentwicklung. Wenn der wirtschaftliche Motor Europas ins Stottern gerät, hat dies Auswirkungen auf die ganze EU. Dabei fehlt es hier nicht an Stimmen, etwa aus wirtschaftspolitischen Think Tanks oder der Industrie, die konstruktive Vorschläge für eine gute Industriepolitik, mit strategischer Definition von ökonomisch wichtigen Branchen, niedrigen Energiekosten, funktionierender Infrastruktur und geringerer Steuerbelastung machen.
Niemandem ist geholfen, wenn die energieintensive Industrie das Land in Richtung weniger regulierter Länder verlässt. Im Gegenteil: Der CO2-Ausstoß droht dadurch sogar zu steigen. Hierzulande sinken die Industrieemissionen auch in guten Jahren. Denn gerade energieintensive Branchen haben einen hohen finanziellen Anreiz, ihren Verbrauch zu senken und in umweltfreundliche Technologien und Werkstoffe zu investieren. Deutsche Ingenieure sind immer noch Weltklasse in der Kunst der Prozessoptimierung. Die moderne Industrie ist mit ihrer Innovationskraft und ihren gut bezahlten Arbeitsplätzen nicht das Problem, sondern vielmehr der Schlüssel zur Lösung der Klimakrise. Das heißt aber auch, alles zu tun, um diese Wertschöpfungsketten in Deutschland zu halten. In Großbritannien kann man sehen, was es bedeutet, wenn der Anteil der Industrie an der Wertschöpfung sinkt. Das größte Problem in der aktuellen Lage ist das Fehlen von Investitionsimpulsen. Will die Ampel 2024 Vertrauen in Politik und Gesellschaft zurückgewinnen, muss sie ihre ganze Kraft auf die Lösung dieser Frage setzen. Wird die Bundesregierung noch die Kraft dafür finden?