Pensionskassenrente und Insolvenzsicherung
Seit Juni 2012 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall der Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft (PKDW) in einer Vielzahl von Verfahren entschieden, dass Arbeitgeber auf Ausgleich der Differenzen haften, wenn Pensionskassen die ursprünglich zugesagten Renten herabsetzen. Nun muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden, ob auch der Pensionssicherungsverein (PSV) einzutreten hat, wenn der Arbeitgeber auf Grund seiner Insolvenz nicht mehr in der Lage ist, die Ausgleichsansprüche zu erfüllen. VAA-Kooperationspartnerin Dr. Ingeborg Axler von der Fachanwaltskanzlei BJBK berichtet im Interview mit dem VAA Newsletter über den von ihr vertretenen Fall.
VAA: Worum geht es in dem von Ihnen vertretenen Verfahren? Muss der Pensionssicherungsverein als gesetzlich vorgesehene Insolvenzsicherung nicht immer leisten, wenn ein Arbeitgeber in die Insolvenz geht und die Betriebsrente nicht mehr zahlen kann?
Axler: Nein, dies ist gesetzlich so leider nicht vorgesehen. Der PSV haftet in den gesetzlich vorgesehen Fällen, wenn der Arbeitgeber auf Grund seiner Insolvenz eine unmittelbar aus seinem eigenen Vermögen zu erfüllende Zusage – also eine Direktzusage – nicht erfüllen kann oder wenn der Arbeitgeber die betriebliche Altersversorgung über eine Lebensversicherung durchführt und diese zu Lasten des Arbeitnehmers beliehen oder verpfändet hat. Die Fälle der Eintrittspflicht des PSV sind im Gesetz genau beschrieben. Von der Pensionskassenrente ist dort leider keine Rede, da der Gesetzgeber davon ausging, dass Pensionskassen, die ja der Versicherungsaufsicht durch die BaFin unterliegen, nicht insolvent werden können.
VAA: Ist die Pensionskasse für die deutsche Wirtschaft denn insolvent?
Axler: Nein, sie erzielt zwischenzeitlich wieder Gewinne. Sie befand sich jedoch im Jahr 2002 am Rande der Insolvenz. Hätte die Mitgliederversammlung nicht am 27.06.2003 beschlossen, alle Renten um 1,4 Prozent jährlich zu reduzieren, wäre sie damals überschuldet gewesen. Der Leistungsherabsetzungsbeschluss gilt für alle damaligen, derzeitigen und zukünftigen Rentner, die bis zum 31.12.2001 Anwartschaften erworben haben. Die Renten werden jährlich herabgesetzt, wobei der Prozentsatz zwischenzeitlich nicht mehr bei 1,4 Prozent liegt, sondern je nach Lebensalter „nur“ noch 1,2 Prozent oder weniger beträgt. Diese Leistungsherabsetzung erfolgt jedoch lebenslänglich. In den bisher vor dem BAG geführten Verfahren ging es stets um die Ausgleichspflicht des Arbeitsgebers für diese Leistungsherabsetzungen. Das BAG hat entschieden, dass der Arbeitgeber die Leistungsherabsetzungen ausgleichen muss, soweit es sich um eine Zusage der betrieblichen Altersversorgung handelt. Erstmals wurden nun Ansprüche gegen den PSV geltend gemacht.
VAA: Wie kommt das Verfahren nun zum Europäischen Gerichtshof?
Axler: In den Verfahren vor dem BAG ging es um einen Arbeitnehmer, der seine PKDW-Rente seit dem Jahr 2000 bezog. Ab 2003 wurde die Rente jährlich zum 01.07. herabgesetzt, wobei die Reduzierung bis 2013 bereits fast 85 Euro monatlich betrug. Der Arbeitgeber glich die Leistungsherabsetzungen aus, bis er in Insolvenz fiel. Der PSV weigerte sich, die Zahlungen des Arbeitsgebers zu übernehmen, mit der Begründung, er sei für Pensionskassenrenten nicht einstandspflichtig.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen, das Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Köln haben wir jedoch gewonnen. Das BAG hat nun am 20.02.2018 entschieden, dass der PSV nach den geltenden gesetzlichen Regelungen des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) nicht für die Ausgleichsleistung einzustehen habe, da die Pensionskassenzusage als Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung nicht unter die Insolvenzsicherung des § 7 BetrAVG falle.
VAA: Was hat nun der EuGH damit zu tun?
Axler: Das BAG hat die Klage am 20.02.2018 nicht abgewiesen, sondern dem EuGH ein sogenanntes „Vorabentscheidungsersuchen“ vorgelegt. Nach Artikel 8 der Europäischen Richtlinie 2008/94/EG vom 22.10.2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitsgebers haben die Mitgliedsstaaten der EU sicherzustellen, dass Renten und Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gesetzlich geschützt sind. Das BAG stellt nun fest, dass dieser deutsche Schutz nach § 7 BetrAVG nicht umfassend ist. Die Einstandspflicht des Arbeitsnehmers aus § 1 Absatz 1 Satz 3 BetrAVG für Leistungsherabsetzungen der Pensionskasse ist gerade von der deutschen Insolvenzsicherung nicht erfasst. Jetzt muss der EuGH entscheiden, ob dies zulässig ist oder gegen europäisches Recht verstößt.
VAA: Wenn der EuGH zu dem Ergebnis käme, dass die im Betriebsrentengesetz geregelte deutsche Insolvenzsicherung durch den PSV unzureichend ist und gegen die EU Richtlinien verstößt, bekäme dann der Kläger sein Geld vom PSV? Oder müsste der Gesetzgeber erst das Gesetz ändern?
Axler: Diese Frage stellt das BAG auch dem EuGH. Wenn der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie nur unzulänglich in das deutsche Gesetz umgesetzt hat, könnte der Arbeitnehmer einen unmittelbaren Anspruch aus Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG gegen den PSV haben, sofern es sich bei diesem um eine Behörde – also eine öffentlich-rechtliche Einrichtung – handelt. Auch dies ist aber nicht ganz eindeutig, weil der PSV eigentlich ein Verein ist, also eine Person des Privatrechts, andererseits aber öffentliche Aufgaben erfüllt und die Befugnisse einer Verwaltungsbehörde hat. Auch dies ist also eine spannende Frage.
Dr. Ingeborg Axler ist Partnerin der Fachanwaltskanzlei BJBK in Köln und bearbeitet schwerpunktmäßig Fälle der Betrieblichen Altersversorgung. Die Kanzlei (Kanzlei@bjbk.de) ist Kooperationspartner des VAA.