Pro & Contra: Reform der Steuerklassen – Werden Familien benachteiligt?
Zurzeit arbeitet das Bundesfinanzministerium an einer Reform zur Abschaffung der von vielen Ehepaaren genutzten Steuerklassen III und V. Ziel der Bundesregierung ist es, die Begünstigung des besserverdienenden Partners zu beenden und mehr Fairness zu schaffen. Das Vorhaben ist umstritten und wird von der Opposition kritisiert. Die ULA Nachrichten haben zwei führende Köpfe aus der Politik um ihre Einschätzung gebeten.
Katja Hessel MdB (FDP) ist Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen Das Wichtigste zuerst: Nach der Reform der Steuerklassen werden Paare in Summe nicht mehr Steuern zahlen müssen, die Steuerlast bleibt gleich! Warum machen wir das Ganze dann überhaupt: Es geht darum, das Nettogehalt beider Verdiener fairer aufzuteilen. Das Ziel ist einfach und gleichzeitig sehr wichtig: Arbeiten soll sich für alle lohnen. Gerade auch für Frauen. Das unterstützen wir mit der Reform der Steuerklassen – denn bislang war es oft vor allem für Frauen wenig attraktiv, mehr zu arbeiten, wenn ihnen in der Steuerklasse V hohe Abzüge drohten. In der herausfordernden wirtschaftlichen Lage dürfen wir das riesige Potenzial von Frauen für den Arbeitsmarkt nicht länger brachliegen lassen! Das starre System der Steuerklassenkombination III/V, das auch nur selten zu tatsächlich richtigen Ergebnissen im Lohnsteuerabzug führt, war da schon immer hinderlich. Das neue System wird auch viel näher an der Realität liegen: Das Faktorverfahren wird so verbessert werden, dass hohe Nachzahlungen ausbleiben, die bislang bei der Kombination III/V häufig auftraten. Viele Leistungen des Staates orientieren sich am Nettogehalt – beispielsweise Lohnersatzleistungen wie das ALG 1: Dass es hier zu keinen Unwuchten kommt, werden die Sozialressorts mit Anpassungen und Übergangsregeln gewährleisten. Damit vermeiden wir unbeabsichtigte Folgewirkungen oder gar persönliche Härten. Das alles zeigt: Niemand wird durch diese Reform benachteiligt, ganz im Gegenteil, wir machen den Steuerabzug fairer, das Faktorverfahren zielsicherer und setzen neue Anreize, sodass sich Arbeiten mehr lohnt. |
Antje Tillmann MdB ist Finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Foto: Michael Reichel Die Steuerlast ist über das Jahr gesehen gleich hoch, egal welche Steuerklassen die Partner wählen. Nur unterjährig kommt es zu Unterschieden, weil in Klasse 3 monatlich weniger Lohnsteuer einbehalten wird. Ehepaare, die keinen gemeinsamen (!) Antrag auf die Steuerklassen 3/5 stellen, werden automatisch in 4/4 eingereiht. Die Steuerklassenwahl erfolgt freiwillig. Paare müssen in vielen Bereichen finanzielle Themen miteinander besprechen, so zum Beispiel ob sie ein gemeinsames Konto führen wollen oder von welchem Konto laufende Kosten wie Miete, Hauskredit oder Kindergartengebühren abgehen. Warum sollten sie das nicht in ihrem gemeinsamen Sinne auch bei den Steuerklassen tun? Bei Abschaffung der Steuerklassen 3/5 hätten Ehepaare künftig zumindest unterjährig weniger Geld zur Verfügung. Die Frage nach der Aufteilung der laufenden Kosten bleibt aber. Tatsächlich endgültige finanzielle Auswirkungen hat die Steuerklassenwahl aber bei den Lohnersatzleistungen: Informierte Eltern wählen die Steuerklassen vor der Geburt ihrer Kinder so, dass sie ihren Anspruch auf Elterngeld voll ausschöpfen können. Eine Streichung der Steuerklassen hat eine endgültige Kürzung des Elterngelds und aller anderen Lohnersatzleistungen zur Folge. Hier sehe ich allerdings tatsächlich ein Problem, weil Eltern, die sich nicht so gut auskennen, diese Möglichkeit nicht nutzen. Wir brauchen hier noch mehr Aufklärung. Als Steuerberaterin ist mein Appell an alle Paare ohnehin: Überlassen Sie finanzielle Entscheidungen nie ausschließlich Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner! |