Referenten-Entwurf des Betriebsrentenstärkungsgesetzes: Risiken für Führungskräfte

,
Banner ULA Claim

Die ULA unterstützt das Ziel der Bundesregierung, die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu erhöhen. Angestellte Führungskräfte und andere hochqualifizierte Beschäftigte verfügen schon heute mehrheitlich über Betriebsrentenzusagen. Das Ziel einer wirksamen Alterssicherung durch eine Kombination aller drei Säulen (gesetzliche Rentenversicherung, betrieblichen Altersversorgung und private Altersvorsorge) sollte aber für eine größtmögliche Zahl von Arbeitnehmern erreichbar sein. Der bis heute erreichte Verbreitungsgrad ist insoweit nicht befriedigend.

Eine höhere Verbreitung (also mehr Quantität) sollte aus Sicht der ULA aber nicht zu Lasten der Qualität betrieblicher Altersversorgung gehen. Die Einführung einer reinen Beitragszusage, also die Unterschreitung der bisherigen Untergrenze einer „Beitragszusage mit Mindestleistung“, stellt die Planbarkeit des im Ruhestand zu erwartenden Einkommens und damit das bisherige Wesen der betrieblichen Altersversorgung grundlegend in Frage.

Aus Sicht der Führungskräfte identifiziert der Gesetzentwurf zwar die rechtlichen Ansatzpunkte für eine höhere Verbreitung richtig, nämlich eine Kombination von Reformen im Arbeitsrecht, Steuerrecht und Sozialrecht. Die gewählte Gewichtung erscheint der ULA aber zu einseitig. Die geplanten Reformen im Bereich des Steuerrechts (ausführlicher behandelt unter Ziffer 1.3) und des Sozialrechts (ausführlicher behandelt unter Ziffer 1.4) bleiben hinter ihren Erwartungen zurück. Im Arbeitsrecht (ausführlicher behandelt unter Ziffer 1.2) empfindet die ULA die Reformpläne als einerseits innovativ, andererseits aber auch als weitgehend sowie als mit Risiken und Unklarheiten behaftet.

Das wesentliche Merkmal des „Sozialpartnermodells“, der Abbau von langfristigen rechtlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers ist grundsätzlich geeignet, Hemmnisse auf Arbeitgeberseite für die Erteilung neuer Versorgungszusagen abzubauen. Tarifverträge als Regelungsbasis würden die Einbeziehung breiter Arbeitnehmerkreise erleichtern.

Neues Leitbild der betrieblichen Altersversorgung: garantielos, verpflichtungsfrei

Darüber hinaus könnte das Modell aber auch, mit umfassender Wirkung, ein neues Leitbild von betrieblicher Altersversorgung etablieren, nämlich das von einer für Arbeitgeber (nahezu) verpflichtungsfreien und für Arbeitnehmer (nahezu) garantielosen Vorsorgeform. Dies wäre nur schwer mit den Erwartungen in Einklang zu bringen, die viele Arbeitnehmer (auch Führungskräfte) bis heute an ihre Betriebsrentensysteme haben. Ein zentrales Merkmal von Altersvorsorge (in Abgrenzung zu anderen Sparvorgängen) ist ein Mindestmaß an Planbarkeit über die Höhe der bei Rentenbeginn zu erwartenden Leistungen und eine Begrenzung des Anlagerisikos durch garantierte Leistungen – bis heute in Form der Beitragszusage mit Mindestleistungen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG.

Um die Akzeptanz neuer Angebote zu sichern, die diese Merkmale nicht aufweisen, müssten die Tarifvertragsparteien substantielle Kompensationen aushandeln – über die positiven Effizienz- und Kosteneffekte hinaus, die sich durch die Bildung von gegenüber heute noch größeren Kollektiven quasi automatisch ergäben. Die sozialpartnerschaftliche Steuerung der Einrichtung sowie der in § 23 BetrAVG-E vorgesehene ergänzende „Sicherungsbeitrag“ liefern hierfür Anknüpfungspunkte. Letzterer ist allerdings eher vage und unbestimmt ausgestaltet.

Grundsätzlich sieht die ULA angestellte Führungskräfte insbesondere bei einer außertariflichen Eingruppierung als nicht unmittelbar betroffen von der geplanten Realisierung eines Sozialpartnermodells an. Weder gehören sie zur vorrangigen Zielgruppe des Gesetzes, noch könnten sie (auf Grund ihrer Außertariflichkeit) unmittelbar in Versorgungssysteme auf Basis eines neuen Versorgungstarifvertrags einbezogen werden.

Anpassungsdruck für Versorgungsmodelle von Führungskräften

Es besteht aber das Risiko eines erhöhten Anpassungsdrucks in der Form, dass auch für sie der Versuch unternommen werden könnte, die Prinzipien des Sozialpartnermodells auf anderem Wege „wirkungsgleich“ auf ihre Versorgungssysteme zu übertragen. Das Fortbestehen von Versorgungszusagen mit langfristigen finanziellen Verpflichtungen (und einer Bilanzwirksamkeit) würde auf jeden Fall einen erhöhten Begründungsaufwand nach sich ziehen, etwa gegenüber externen Investoren oder Analysten und Rating-Agenturen. Die entscheidende Frage wäre dann, ob im Einzelfall ein Arbeitgeber attraktive Betriebsrentenzusagen weiterhin als Bindungs- und Motivationsinstrument einzusetzen bereit wäre, oder ob der Druck, Einsparungen zu realisieren, überwöge.

Für eine vorrangig personalpolitisch (und nicht sozialpolitisch) motivierte betriebliche Altersversorgung besteht auch in Zukunft in vielen Bereichen der Wirtschaft Raum und Bedarf, insbesondere angesichts steigender Qualifikationsanforderungen und eines vielerorts schrumpfenden Angebots an Fach- und Führungskräften.

Dennoch ist die ULA, zusammenfassend formuliert, der Auffassung, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf das Ziel einer stärkeren Verbreitung von Betriebsrentenzusagen tendenziell übererfüllt würde. Zu Beginn der Diskussion über ein Sozialpartnermodell hatte sie die Erwartung, dass dieses primär auf die Schaffung eines „Einstiegsmodells“ bzw. eines „Basisangebots für eine größtmögliche Zahl von Arbeitnehmern“ abzielt. Das vorliegende Modell geht jedoch über eine derartige „Ergänzungsfunktion“ hinaus. Es erscheint fraglich, ob in den Unternehmen und Betrieben eine neue „Sozialpartnerrente“ einerseits und die durch Verpflichtungen und Garantien geprägten bisherigen Formen der betrieblichen Altersversorgung andererseits störungsfrei neben einander existieren können. Die Gefahr eines Konvergenzprozesses „nach unten“, hin zu den niedrigeren rechtlichen Standards des Sozialpartnermodells, ist nicht von der Hand zu weisen. Dadurch würde sich aber das Wesen der betrieblichen Altersversorgung insgesamt verändern, zum Nachteil vieler bestehender, gut funktionierender und qualitativ hochwertiger Systeme.

Weiter zur vollständigen Stellungnahme