Das Mitbestimmungsgesetz: Standortvorteil wahren!
Mit nur 22 Gegenstimmen hat der Deutsche Bundestag am 18. März 1976 das Mitbestimmungsgesetz verabschiedet – am 1. Juli 1976 trat es in Kraft. Die Stellung des leitenden Angestellten als eigenständiger Akteur in der Mitbestimmung wurde dadurch gestärkt. Herausforderungen für die Verankerung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsräten von Kapitalgesellschaften bestehen dennoch bis heute.
Laut dem Gesetz nehmen in Aufsichtsräten von Kapitalgesellschaften mit mehr als 2.000 Anteilseigner und Vertreter der Arbeitnehmer jeweils die Hälfte der Sitze ein. Der von den Anteilseignern bestimmte Aufsichtsratsvorsitzenden hat ein Doppelstimmrecht.
Das Gesetz war ein politischer Kompromiss. Die SPD wollte ihren Anspruch „Mehr Demokratie wagen“ auch auf die Wirtschaft übertragen und dort „eine gleichberechtigte […] Teilnahme von Anteilseignern und Arbeitnehmern an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen“ sicherstellen, so die damalige Gesetzesbegründung. Bereits 1970 hatte eine Regierungskommission unter Vorsitz von Kurt Biedenkopf den Anspruch der Mitbestimmung wie folgt formuliert: Die „mit der Unterordnung der Arbeitnehmer unter fremde Leitungs- und Organisationsgewalt […] verbundene Fremdbestimmung durch die institutionelle Beteiligung an den unternehmerischen Entscheidungen zu mildern“ und „die ökonomische Legitimation der Unternehmensleitung durch eine soziale zu ergänzen“.
Die mitregierende FDP trug dieses Anliegen mit, verhinderte aber eine volle Parität wie in der Montanmitbestimmung. Sie unterstützte auch den Gedanken einer Besetzung der Arbeitnehmerbank durch drei Gruppen: unternehmensangehörige Arbeitnehmer, Vertreter der Gewerkschaften und Vertreter der leitenden Angestellten – letztere mit einem Sitz.
Dennoch waren die Widerstände gegen das Gesetz groß. Drei Jahre später stellte das Bundesverfassungsgericht aber in einer Grundsatzentscheidung fest, dass es weder gegen die Eigentumsgarantie der Anteilseigner (Artikel 14) noch gegen die Koalitionsfreiheit (Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz) noch gegen das durch die allgemeine Handlungsfreiheit geschützte Recht auf Entfaltung der unternehmerischen Initiative (Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz) verstößt.
Mitbestimmung als Markenzeichen
Seither ist die Mitbestimmung zu einem Markenzeichen der freien sozialen Marktwirtschaft in Deutschland geworden. Sie steht für eine Betonung der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Stakeholder-Orientierung). Gesellschaftsrechtler, Ökonomen und andere Corporate-Governance-Experten bescheinigen ihr einen wichtigen Beitrag zu einer langfristigen und nachhaltig ausgerichteten Unternehmenspolitik.
Neue Herausforderungen
Während die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Mitbestimmung entschieden ist, gibt es bis heute Diskussionen aber über deren Vermeidbarkeit. Hinzu kommen europarechtliche Herausforderungen.
Europäische Rechtsformen, insbesondere die Europäische Gesellschaft (SE), bieten die Möglichkeit, die Modalitäten der Arbeitnehmerbeteiligung an der Unternehmensaufsicht in einem Verhandlungsprozess neu zu tarieren. Bei Gründungen oder Umwandlungen unter mehrheitlich deutscher Beteiligung wirken bestandsschützende Regelungen einer starken Abschwächung der Mitbestimmung entgegen. Der garantierte Einzelsitz des leitenden Angestellten ist von diesen Regelungen aber nicht erfasst.
Außerdem wird immer wieder bezweifelt, ob die Beschränkung der Wahlberechtigung bei Unternehmen mit Sitz in Deutschland auf deutsche Arbeitnehmer mit EU-Recht vereinbar ist. Aus ULA-Sicht ist diese Lösung eine logische Folge des Territorialitätsprinzips. Eine europarechtswidrige Ungleichbehandlung liegt nicht vor.
Auch andere gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten ermöglichen Unternehmen eine Flucht aus oder eine Vermeidung der Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes: Aufspaltungen, die Gründung einer Holding im Ausland oder grenzüberschreitende Verschmelzungen mit einer Sitzverlegung. Ein Blick auf die Zahl der mitbestimmten Unternehmen zeigt, dass dies kein Randphänomen ist. Unterlagen nach Angaben der Hans-Boeckler-Stiftung im Jahr 2002 noch 767 Unternehmen dem Mitbestimmungsgesetz – der bisherige Höchstwert –, ist dieser Wert bis 2014 auf 635 gesunken.
Die Zahl der Gratulanten beim 40. Geburtstag war groß. Sie umfasste neben der Führungskräftevereinigung ULA auch Arbeitgeberverbände und viele namhafte Unternehmensvorstände. Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner schloss sich explizit der Bewertung der Mitbestimmung als „Standortvorteil“ an. Politische Mehrheiten für Reformen zugunsten eines wirksameren Schutzes der Mitbestimmung gibt es derzeit nicht, auch nicht für die vom SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel ins Spiel gebrachte Absenkung des Schwellenwerts für die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes auf 1.000 Arbeitnehmer.
Nach Ansicht der ULA ist es aber unverzichtbar, in Politik und Wirtschaft und auch auf internationaler Ebene kontinuierlich für die Vorzüge der Mitbestimmung zu werben. Dies liegt auch im Interesse der angestellten Führungskräfte.
Aktueller Nachtrag:
ULA-Präsident Leroux trifft Manfred Gentz
Welche Rolle hat der leitende Angestellte in der Corporate Governance? Dies war das Thema eines Gesprächs zwischen ULA-Präsident Dr. Roland Leroux und dem Vorsitzenden der Corporate-Governance-Kommission Dr. Manfred Gentz am 30. Juni 2016 in Berlin. Beide stimmten darin überein, dass grundsätzlich ein Interesse daran bestehen müsse, die leitenden Angestellten für das Thema Corporate Governance zu interessieren und sie einzubeziehen. Gentz, der im Herbst seinen Vorsitz abgibt, zeigte sich offen, den Dialog mit der ULA zu intensivieren. Er warb dafür, die Unternehmen weniger durch intensivere Regeln, sondern mehr über Werte und Grundsätze zu lenken. Der „Corporate Governance Kodex“ ist ein Regelwerk über Grundsätze der guten Unternehmensführung. Er besteht aus einer Zusammenfassung der bindenden gesetzlichen Vorschriften und darüber hinaus gehenden Empfehlungen in Form von Sollvorschriften. Abweichungen von diesen Vorschriften müssen Unternehmen im Rahmen ihrer Jahresberichte begründen (Comply or Explain).