Stellungnahme zum Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes
1. Zusammenfassende Bewertung
Die ULA sieht in dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) für ein Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (HinSchG) grundsätzlich ein geeignetes Mittel, die Vorgaben der EU-Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen und den Hinweisgeberschutz hierzulande nachhaltig zu verbessern. Das Ziel, den Schutz so genannter Whistleblower auch auf nationaler Ebene zu verbessern, wird von der ULA als politische Interessenvertretung der deutschen Führungskräfteverbände ausdrücklich begrüßt. Gleichwohl notwendig sind aus Sicht der Führungskräfte Nachbesserungen im Detail, um wirksame praxistaugliche Regelungen zu schaffen.
2. Erläuterungen
Führungskräften kommt sowohl beim Schutz von Unternehmensgeheimnissen wie auch der Verhinderung und Aufdeckung von rechtswidrigem Verhalten eine besondere Verantwortung zu. Rechtliche Sicherheit für Arbeitnehmer und Betriebe zu schaffen, muss das gemeinsame Ziel sein. Viele Unternehmen haben hier bereits wegweisend gehandelt und entsprechende Regelungen und Instrumente implementiert. Entscheidend für den Erfolg der Umsetzung wird es sein, keine Kultur des Misstrauens gegenüber den Unternehmen in Deutschland zu manifestieren.
Das Ziel des Koalitionsvertrags von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vom 25. November 2021 war es, die EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel umzusetzen. Whistleblower sollen nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vor rechtlichen Nachteilen geschützt sein, sondern auch von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien gegen den Schädiger sollen verbessert und dafür Beratungs- und finanzielle Unterstützungsangebote geprüft werden. Um diese Zielsetzung zu erreichen, gilt es aus Sicht der Führungskräfte insbesondere in folgenden Bereichen Nachbesserungen vorzunehmen:
- Aufnahme der Verpflichtung zur Einführung eines anonymen Meldeweges
- Einbeziehung der Meldungen von Missständen unterhalb der Schwelle eindeutiger Rechtsverstöße wie „sonstiges Fehlverhalten“
Die genaue Ausgestaltung ist von der Politik im Dialog mit den Compliance-Beauftragten der Unternehmen sowie den Sprecherausschüssen als gewählte Vertreter der leitenden Angestellten und Führungskräfte vorzunehmen, um die Praxistauglichkeit der Regelungen sicherzustellen.
3. Weitere Begründung
Zu den einzelnen Vorschriften des Entwurfes:
Zu § 1 HinSchG, Zielsetzung und persönlicher Anwendungsbereich:
(1) Dieses Gesetz regelt den Schutz von natürlichen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen (hinweisgebende Personen).
(2) Darüber hinaus werden Personen geschützt, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, sowie sonstige Personen, die von einer Meldung oder Offenlegung betroffen sind.
Bewertung ULA: Der gewählte Anwendungsbereich findet grundsätzlich Zustimmung, da mit dieser Regelung beispielsweise auch Praktikanten, Selbstständige, Anteilseigner oder Mitarbeiter von Lieferanten einbezogen werden.
Zu § 2 HinSchG, Sachlicher Anwendungsbereich
Das Gesetz soll unter anderem für Meldungen und Offenlegungen von Verstößen gelten, die strafbewehrt sind sowie von Verstößen, die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient.
Zudem sollen sonstige Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der EU erfasst sein. Darunter fallen beispielsweise Bestimmungen zur Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Vorgaben zur Produktsicherheit und -konformität, zur zivilen Luftverkehrssicherheit oder zum Umweltschutz sowie zum Schutz personenbezogener Daten im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Bewertung ULA:
Der Entwurf sieht eine Ausweitung der Anwendungsbereiche der EU-Richtlinie auf bestimmte Bereiche des deutschen Rechts vor. Der sachliche Anwendungsbereich geht damit moderat über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus. Die Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs des Referentenentwurfs gegenüber der Richtlinie im Hinblick auf die meldefähigen Verstöße auch auf nationale Straf- und bußgeldbewährte Vorschriften, ist zu begrüßen. Dies gilt insbesondere insoweit, als es auch um solche Vorschriften geht, die dem Schutz der Beschäftigten und ihrer Vertretungsorgane dienen.
Kritisch anzumerken ist, dass die Meldung von Missständen unterhalb der Schwelle eindeutiger Rechtsverstöße vom Whistleblower-Schutz im jetzt vorliegenden Referentenentwurf ausgenommen bleibt. Damit bleibt der Entwurf hinter dem des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) zurück. Dieses lässt die Offenlegung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder „sonstigen Fehlverhaltens“ zu, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Aus Sicht der Führungskräfteverbände ist daher in dieser Frage eine Nachbesserung dringend erforderlich.
Andererseits wird die Vielzahl der einbezogenen Rechtsverstöße die Unternehmen vor große Herausforderungen stellen, den Hinweisgeberschutz zu implementieren und an die Mitarbeiter zu kommunizieren. Darüber hinaus sollte daher geprüft werden, inwieweit das Whistleblowing-System für alle Rechtsverstöße sowie unethisches Verhalten geöffnet werden sollte.
Zu § 7, HinSchG, Hierarchie der Meldekanäle
Hinweisgeber können zwischen einer sog. internen oder externen Meldung frei wählen. Sie können sich somit entweder an eine interne Stelle oder sogleich an eine externe Stelle wenden (§ 7 HinSchG). Eine zentrale externe Meldestelle soll beim Bundesamt für Justiz (BfJ) eingerichtet werden (§ 19 HinSchG). Bestehende Meldesysteme bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und beim Bundeskartellamt werden weitergeführt. Die Bundesländer können darüber hinaus weitere externe Meldestellen einrichten. Die internen und externen Meldestellen prüfen die eingegangenen Meldungen und ergreifen die erforderlichen Folgemaßnahmen.
Zu § 12 HinSchG, Pflicht zur Einrichtung von Meldestellen
Unternehmen und sonstige „Beschäftigungsgeber“ mit mindestens 50 Beschäftigten sollen interne Meldestellen einrichten, an die sich die Beschäftigten wenden können. Für private Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten gilt diese Pflicht in der Regel erst ab dem 17. Dezember 2023. Außerdem dürfen diese mit anderen Unternehmen zusammen eine gemeinsame Meldestelle betreiben.
Bewertung ULA:
Der Entwurf sieht keine Verpflichtung vor, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen. In der Praxis drohen den Unternehmen erhebliche Folgeaufwände, um die Vertraulichkeitspflichten bei nicht-anonymen Meldungen zu wahren. Um diese zu vermeiden und um Hemmschwellen zur Meldung von Rechtsverstößen abzubauen, regt die ULA an, in dem Gesetz die Verpflichtung zur Einführung eines anonymen Meldeweges aufzunehmen.
Anders als im Entwurf vorgesehen sollte stets der Grundsatz gelten, dass einer innerbetrieblichen Aufarbeitung von Missständen Vorrang vor einem Gang zu Behörden oder an die Öffentlichkeit gegeben wird. Die Unternehmen sind nun gefordert, mittels leicht zugänglicher interner Meldeangebote Anreize zu schaffen, dass etwaige Rechtsverstöße innerhalb des Unternehmens gemeldet und dort aufgeklärt werden können.