Europa & Wirtschaft
Was passiert, wenn die Leistungseliten einer Gesellschaft hinsichtlich ihrer politischen Verantwortung versagen, dokumentiert die deutsche Geschichte. Umso mehr Grund haben deutsche Führungskräfte heute, zum Erfolg des vereinten Europas beizutragen, indem sie Fehlentwicklungen benennen und Lösungen entwickeln – im privaten und beruflichen Wirkungskreis ebenso wie in Verbänden.
Führungskräfte tragen eine ganz besondere gesellschaftspolitische Verantwortung. Sie sind unabhängig im Urteil, wissen um die Bedeutung von Transparenz, Kommunikation und Kooperation, nehmen gegenüber ihren Mitarbeitern eine Vorbildfunktion ein und repräsentieren ihre Organisation nach außen. Die ULA engagiert sich bereits seit 1951 für die internationale Zusammenarbeit.
Marode Banken, Massenarbeitslosigkeit, Staatsversagen und Steuererhöhungen, die stille Enteignung der Sparer im Norden und schließlich der Brexit: Europa steckt in der Krise. Die Probleme, unter denen wir heute leiden, haben ihren Ursprung aber viel früher. Es lohnt sich, die Vorgeschichte noch einmal Revue passieren zu lassen. Wer die Ursachen der Krise versteht, kann einen Ausweg finden.
Die urpsprüngliche Einigungsidee bleibt wichtig
Dabei hat die Europäische Einigungsidee, führt man auch sie auf ihre Ursprünge zurück, nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Wir dürfen nicht vergessen, dass sie aus den verheerenden Erfahrungen von zwei Weltkriegen, Tod, Flucht und Vertreibung geboren wurde.
Wir müssen ein neues Narrativ entwickeln, eine Geschichte von der verheißungsvollen Zukunft aller Völker im geeinten Europa. Dies ist ein Prozess, in den alle staatlichen und gesellschaftlichen Ebenen bis hin zu Schulen und Vereinen einbezogen werden müssen. Die digitale Vernetzung kann dies ermöglichen. Auch die öffentlich-rechtlichen Medien können wesentlich mehr tun, um über Europa und seine Vorteile zu informieren – ebenso wie manche privatwirtschaftlichen Unternehmen, die vom gemeinsamen Markt profitieren.
Eine neue, realistische Vision für Europa
Vision darf allerdings nicht heißen, dass wir uns unrealistische Ziele setzen. Um Vertrauen und eine neue Identifizierung mit Europa zu ermöglichen, sollten erreichbare Projekte formuliert und nachvollziehbar umgesetzt werden. In den Anfängen der EU gab es eine kluge Selbstbeschränkung der EU auf das Prinzip der Subsidiarität: Der gemeinschaftlichen Ebene wurde nur dann eine Regelungskompetenz eingeräumt, wenn der betreffende Bereich auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene nicht besser geregelt werden konnte. Wenn diesem Prinzip wieder mehr Beachtung geschenkt wird, erledigt sich der oft vorgebrachte Vorwurf der Brüsseler Regelungswut von selbst.
Als bevölkerungsreichstes und wirtschaftlich stärkstes Mitglied der EU spielt Deutschland bei der Formulierung einer solchen Vision eine entscheidende Rolle. Viele Europäer sind der Ansicht, dass die deutsche Industrie besonders vom gemeinsamen Markt und der gemeinsamen Währung profitiert. Daraus resultiert die Erwartung, dass Deutschland sich überproportional an der finanziellen Gesundung Europas beteiligt.
In den Augen und in den täglichen Erfahrungen wird Europa von den Führungskräften vor allem als wirtschaftlicher Erfolg wahrgenommen. Die Hälfte der deutschen Exporte geht in die europäischen Nachbarländer.
Dennoch muss Deutschland als Exportweltmeister den gesamten Welthandel im Auge behalten. Die ULA macht per se keine Industriepolitik. Sie vernetzt sich aber mit den Industrieverbänden und unterstützt gegebenenfalls deren Anstrengungen, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu erhalten oder sogar noch auszubauen. Denn Führungskräfte wissen, dass ihre Arbeitsplätze von einer florierenden Wirtschaft und einem guten Investitionsklima direkt abhängen.