ULA begrüßt Verbesserung bei Erwerbsminderungsrente, fordert Überprüfung der Regelung über Abschläge
Die ULA begrüßt den Gesetzentwurf und seine Zielsetzung, nämlich eine Verbesserung der Absicherung von Beziehern einer Erwerbsminderungsrente. Sie hält aber die pauschale Ablehnung der als Alternative benannten Abschaffung der Abschläge auf (vorgezogene) Erwerbsminderungsrenten für nicht überzeugend begründet und tritt im Übrigen für schneller wirksame Leistungsverbesserungen ein.
Angestellte, gesetzlich rentenversicherte Führungskräfte sind von dieser Frage in allgemeiner Weise, also ähnlich wie die meisten Rentenversicherten, betroffen. Zwar treten Fälle von Erwerbsminderung im Vergleich zu übrigen Versicherten bei ihnen derzeit eher unterdurchschnittlich oft auf. Die Verlagerung der Ursachen von Erwerbsminderung weg von körperlichen hin zu psychischen Ursachen und die Zunahme von beruflich (mit-)verursachten psychischen Erkrankungen weisen aber in Richtung eines steigenden Risikos der vorzeitigen Erwerbsminderungsrenten auch für Führungskräfte. In solchen Fällen leistet die gesetzliche Erwerbsminderungsrente in aller Regel nur einen geringen Beitrag zur Sicherung des Lebensstandards. Der allgemeine Niveauverfall der letzten Jahre, den die ULA maßgeblich auf das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus dem Jahr 2000 zurückführt, hat auch die Erwerbsminderungsrenten von Führungskräften weiter sinken lassen.
Betroffenheit der Führungskräfte: Große Vorsorgelücke
Die im Gesetzentwurf vorgesehene stufenweise Erhöhung der Zurechnungszeit von 62 auf 65 Jahre wäre für eine Anhebung des Sicherungsniveaus grundsätzlich ein geeignetes Mittel. Sie wäre auch eine stimmige Ergänzung zum RV-Leistungsverbesserungsgesetz, durch das ab dem 1. Juli 2014 der Zurechnungszeitraum bereits um zwei Jahre vom 60. auf das vollendete 62. Lebensjahr ausgeweitet wurde. Gleichwohl bedauert die ULA, dass die Erhöhung – im Gegensatz zur stufenlosen Anhebung im Jahr 2014 – über einen 5-Jahreszeitraum gestreckt werden soll. Die weiterhin dringend erforderlichen Leistungsverbesserungen werden so nur langsam wirksam. Weiterhin bedauert die ULA, dass der Gesetzentwurf die alternative Option eines Verzichts auf die Abschläge für Erwerbsminderungsrenten, die vor Erreichen des 65. Lebensjahrs in Anspruch genommen werden, in sehr pauschaler Weise ablehnt.
Insbesondere überzeugt die im Gesetzentwurf geliefert Begründung nicht, nämlich dass die Erwerbsminderungsrente nicht als „günstigere Alternative zu einer Altersrente“ in Betracht kommen dürfe (unausgesprochen bleibt hier: „aus Anreizgründen“).
Abschaffung der Abschläge wäre wirksamer
Eine pauschale Abschlagsregelung, die allein darauf gerichtet ist, Ausweichreaktionen zu vermeiden, ist aus Sicht der ULA politisch fragwürdig, da Abschläge nur diejenigen Personen sinnvollerweise von einer Antragstellung abhalten sollten, die eine Erwerbsminderung zu Unrecht beantragen. In Fällen, in denen aber tatsächlich eine Erwerbsminderung vor Vollendung des 65. Lebensjahrs eintritt, stellt ist der Rentenantrag eine nicht steuerbare Reaktion eines Versicherten. Die ULA vertraut in diesem Zusammenhang auch auf die bewährte Verwaltungspraxis der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die mit hoher Zuverlässigkeit in der Lage sind sicherzustellen, dass Erwerbsminderungsrenten nicht unberechtigt zuerkannt werden.
Dass Lenkungsabsichten kein belastbares Argument sind, zeigt auch das Beispiel der Hinterbliebenenrenten für die ebenfalls seit Anfang des Jahrtausends Abschläge erhoben werden, wenn ein Versicherer vor Vollendung des 65. Lebensjahrs verstirbt.
Die ULA verweist in diesem Zusammenhang auch auf den Nicht-Annahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2011 (Aktenzeichen: – 1 BvR 3588/08, – 1 BvR 555/09). Dieser kommt zwar zu dem Ergebnis, dass die mit Wirkung von 2001 eingeführten Abschläge nicht verfassungswidrig sind. Der Beschluss liefert dafür aber andere Begründungen. So erkennt das Gericht (wohl auch mit Blick auf die politischen Ausgangsbedingungen, die im Jahr 2000 für die Rentenversicherung deutlich schwieriger waren als heute) den damaligen Willen des Gesetzgebers als „legitimes Ziel“ an, mit der Einführung von Abschlägen „die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern und damit die Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten.“ Außerdem seien die Einbußen im verfassungsrechtlichen Sinne verhältnismäßig.
Beide Argumente hindern den Gesetzgeber nicht daran, die im Jahr 2000 getroffenen Entscheidung heute noch einmal zu überdenken. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Erwerbsminderungsrenten ihre Funktion als zumindest annähernd statussichernde Einkommensersatzleistung mittlerweile verloren haben und für viele Versicherte auch heute noch nicht einmal existenzsichernd sind.
Somit empfiehlt die ULA im Interesse einer schneller wirksamen Verbesserung des Leistungsniveaus von Erwerbsminderungsrenten eine nochmalige Prüfung der Wirksamkeit und der politischen Berechtigung der bestehenden Abschlagsregelungen.
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