VAA-Rechtstipp: Hohe Hürden für Schadensersatz wegen Mobbings
Wenn es zwischen Vorgesetzen und Mitarbeitern zu Meinungsverschiedenheiten oder Konflikten kommt, werden disziplinarische Maßnahmen des Arbeitgebers mitunter als „Mobbing“ empfunden. Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichtes stellt klar, dass sich daraus aber nur in bestimmten Fällen ein Anspruch auf Schadenersatz wegen Mobbings ableiten lässt.
Eine in der Behindertenbetreuung beschäftigte Arbeitnehmerin hatte auf Kosten ihres Arbeitgebers eine Zusatzausbildung absolviert, um im Anschluss eine Leitungsfunktion übernehmen zu können. Als es zu Unstimmigkeiten mit ihrem Vorgesetzten kam, wies der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin andere Aufgaben zu und kündigte die Ausbildungsvereinbarung. Darüber hinaus erteilte er der Arbeitnehmerin zwei Abmahnungen und kündigte schließlich das Arbeitsverhältnis. Die Arbeitnehmerin wandte sich sowohl gegen die Abmahnungen als auch gegen die Kündigung. Vor Gericht wurde ein Vergleich geschlossen, mit dem das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung beendet wurde.
Zwei Jahre später machte die Arbeitnehmerin gegenüber ihrem ehemaligen Arbeitgeber einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 Absatz 1 BGB geltend. Als Begründung führte sie an, dass sie sei während ihres Arbeitsverhältnisses über einen langen Zeitraum Anfeindungen und Mobbing ausgesetzt gewesen sei und in der Folge an Depressionen erkrankt sei. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab.
§ 823 BGB: Schadensersatzpflicht
Absatz 1: Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) lehnte einen Zahlungsanspruch der Arbeitnehmerin ab (Urteil vom 15. September 2016, Aktenzeichen: 8 AZR 351/15). Das BAG verwies darauf, dass ein Anspruch auf Schadensersatz wegen „Mobbings“ nur dann entsteht, wenn der Arbeitgeber seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt oder die Gesundheit des Arbeitnehmers verletzt.Die BAG-Richter betonten, dass es im Rahmen von Arbeitsverhältnissen typischerweise zu Meinungsverschiedenheiten und Konflikten kommt, ohne dass die dabei zutage tretenden Verhaltensweisen des Arbeitgebers oder des Vorgesetzten zwangsläufig zu einer widerrechtlichen Beeinträchtigung des Arbeitnehmers führen.
Die von der Arbeitnehmerin vorgetragenen Vorwürfe waren demnach nicht geeignet, einen Anspruch auf Schadensersatz zu begründen. So seien die ausgesprochenen Abmahnungen auf ein konkretes Verhalten der Arbeitnehmerin bezogen gewesen und nicht vom Arbeitgeber als Mittel eingesetzt worden, um die Arbeitnehmerin in ungerechtfertigter Weise zu schikanieren. Soweit die Abmahnungen unwirksam waren, habe der Arbeitgeber das Recht, sich bei der rechtlichen Beurteilung zu irren. Auch die Kündigung der Ausbildungsvereinbarung wertete das BAG nicht als Vertragspflichtverletzung des Arbeitgebers, weil ein Kündigungsrecht in der Ausbildungsvereinbarung ausdrücklich vereinbart worden war.
VAA-Praxistipp
Das BAG-Urteil zeigt, dass für eine erfolgreiche Mobbing-Klage in der gerichtlichen Praxis hohe Hürden bestehen. Sie setzt voraus, dass der Arbeitgeber nachweislich Rechtsgüter des Arbeitnehmers verletzt, indem er ein durch Einschränkungen, Anfeindungen, Erniedrigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Arbeitsumfeld schafft. Die Neuzuweisung einer Tätigkeit oder eine ungerechtfertigte Abmahnung reichen dafür in aller Regel nicht aus.